piwik no script img

heute in hamburg„Es war ein kollektiver Prozess“

Vortrag: Militär und Polizei als prägende Elemente eines Stadtteils? Die ehemalige Viktoria-Kaserne in Altona-Nord, 18 Uhr, Rathaus Altona, Platz der Republik 1

Interview: Yasemin Fusco

taz: Herr Omland, die Viktoria-Kaserne war lange Zeit ein historischer Ort. Was ist sie heute?

Frank Omland: Die Fux-Genossenschaft hat sich mit ihrer Gründung bemüht, aus einer alten Kaserne, die erst abgerissen werden sollte, eine gelungene Konversionsgeschichte zu machen. Also einen militärischen Ort in einen zivilen zu verwandeln. Heute sitzen dort Kreative, Medienleute und Handwerker.

Und die Kaserne ist denkmalgeschützt.

Genau. Das Gebäude wurde dem öffentlichen Immobilienmarkt entzogen. Die Politik im Hamburger Senat hat sich auch dafür eingesetzt. Das Positive ist, dass bei diesem Gebäude nicht die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund steht, sondern seine Geschichte. Es war also ein kollektiver Prozess.

Wie haben Sie sich der Geschichte angenähert?

Begonnen haben wir mit einem Tag des offenen Denkmals. Wir haben uns erst in diesem Jahr mit den Nutzer*innen, also den Kreativen und Handwerker*innen im kollektiven Prozess durch das Gebäude begeben und haben Schritt für Schritt die Vergangenheit erkundet.

Was haben Sie dabei entdeckt?

Während einer Sanierung kam eine kleine Botschaft eines Musketiers aus der Kaiserzeit hervor. Herr Weber vom preußischen Militär hat sich mit dieser Botschaft vom Leben verabschiedet und Suizid begannen. Meine These dazu ist, dass das preußische Militär seine Re­kruten und Musketiere mit besonderer Brutalität behandelt haben muss. Seine letzten Worte waren in das Gebäude geritzt: „Mich seht ihr nicht wieder.“

Foto: privat

Frank Omland, 51, ist Sozialpädagoge und Regionalgeschichtsforscher.

Die Kaserne war damals ein isolierter Ort.

Damals, als das Gebäude-Komplex in den Jahren zwischen 1878 und 1883 gebaut wurde, war Hamburg-Altona noch Stadtrand. In der Regel waren dort 1.500 bis 2.000 Soldaten stationiert und sind überwiegend im Viertel geblieben. Die Männer waren also unter sich.

Wie viele Umbrüche hat die Kaserne im Laufe der Zeit erlebt?

Die damals drei Gebäude haben bis 1977 als gesamtes Ensemble bestanden, heute ist nur noch der Block drei übrig. Leider wurden die wichtigen Gebäude, also das Polizeikommissariat, in dem unter anderem auch die Gestapo war, abgerissen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen