heute in hamburg: „Auf einem Schimmel drin herumgeritten“
Ursula Kirchberg, 79, Kinderbuchautorin und Illustratorin, ist seit 2014 Mitglied des Stadtpark Vereins Hamburg.
Interview Petra Schellen
taz: Frau Kirchberg, was hat Adolph Sierich mit dem Hamburger Stadtpark zu tun?
Ursula Kirchberg: Der aus einer Goldschmiede-Familie stammende Sierich hat maßgeblich dazu beigetragen, dass aus dem Dorf Winterhude einer der schönsten Stadtteile Hamburgs wurde: Er hat den Bauern Wiesen abgekauft und sie trockengelegt. Außerdem legte er Straßen an, die er nach Familienmitgliedern benannte – die Dorotheenstraße ist nach seiner Mutter, die Marie-Luisen- und die Klärchenstraße nach seinen beiden Ehefrauen benannt.
Hat er die Bauern beim Kauf übervorteilt?
So würde ich es nicht sagen. Aber natürlich hat er ihnen die Grundstücke billig abgekauft. Denn die Wiesen waren fast alle sumpfig, sodass die Bauern damit nicht viel anfangen konnten und froh waren, dass jemand sie kaufte. Vielleicht hat Sierich auch damit gepunktet, dass er bei den Bauern nicht als Akademiker auftrat, sondern als Goldschmied, als Handwerker. Und wenn er ab und zu neben das Geld ein schönes Schmuckstück für die Gattin legte, half das vermutlich auch.
Warum hat er außerdem einen Park angelegt?
Das war zunächst kein Park. Vielmehr wollte er im Alter seiner Jagdleidenschaft direkt vor der Haustür frönen; er wohnte ja in der Barmbeker Straße gleich gegenüber. Deshalb hat er ein Gehölz angelegt, eingezäunt, mit Hasen und Rehen besetzt und soll auf einem Schimmel darin herumgeritten sein. Gegen ein kleines Entgelt durften auch Besucher hinein.
Warum konnte sich Sierich all das leisten?
Weil seine lange in Buxtehude ansässige Goldschmiede-Familie Vermögen angesammelt hatte. Sierichs Vater und Großvater haben vor allem Trachtenschmuck für die Bauern im Alten Land und den Vierlanden gefertigt. Schmiedearbeiten waren kostbar, denn da es noch keine Druckknöpfe und Reißverschlüsse gab, brauchte man Knöpfe und Schnallen – aber natürlich auch Pokale und Silberbestecke. Das war so einträglich, dass schon Sierichs Vater einige Ländereien kaufte. Adolph, dem zum Schluss halb Winterhude gehörte, hat den Goldschmiedeberuf dann gar nicht mehr ausgeübt.
Wie wurde Sierichs Gehölz zum Stadtpark?
Nach seinem Tod 1889 haben seine Erben es an die Stadt verkauft, die einen Standort für einen Stadtpark suchte und den Park drum herum anlegte.
Samt Sierichschem Forsthaus?
Ja, das hatte er für seinen Förster und seinen Wildhüter gebaut. Heute betreibt der Stadtpark-Verein dort ein Informationszentrum.
Vortragüber Adolph Sierich: 18 Uhr, Sierichsches Forsthaus im Stadtpark, Otto-Wels-Str. 3
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