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heute in hamburg„Quälfleisch ist der Mega-mega-Holzweg“

Foto: A. Thode

Stevan Paul, 48, gelernter Koch, ist seit 2000 freier Journalist, Buchautor und Blogger zum Thema Ernährung.

Interview Petra Schellen

taz: Herr Paul, worin besteht Ihre „Philosophie des Kochens“? Sollen wir währenddessen Marx und Hegel lesen?

Stevan Paul: Nein, es geht mir eher um das Grundverständnis, die Grundhaltung zur Ernährung. Jede Kultur hat eine andere Philosophie des Kochens. Denn Kochen bedeutet letztlich Kultur, Verortung, Heimat und Erinnerung. Und ich glaube, da gibt es in jeder Region spezifische Dinge, aus denen sich die Länderküchen entwickelt haben.

Zum Beispiel?

Das fängt an mit der Vegetation und der allgemeinen Situation vor Ort. Die japanische Küche etwa besteht aus vielen Gerichten mit sehr kurzen Garzeiten. Das hängt damit zusammen, liegt daran, dass Feuerholz dort auf den Inseln ein teures Gut war. Aber die Reflexion geht noch weiter. In Japan zum Beispiel fragt man sich: Ist nicht eigentlich der Bauer der wahre Koch? Und der Koch nur derjenige, der schneidet?

Außerdem haben Sie einmal den „evolutionären Einfluss des Kochens auf die Menschheit“ erwähnt. Was meinten Sie?

Dinge, die alle Kulturen gemeinsam haben, letztlich die ganze Menschheit: Feuer als wesentliches Movens der Menschheitsentwicklung. Denn sowie der Mensch gekochtes statt rohes Fleisch aß, gewann er erstens Zeit, weil er nicht mehr so lange verdauen musste. Zweitens bildete sich der robuste Kiefer zurück, weil er das Fleisch nicht mehr so mühsam zerkauen musste. In der Folge konnten sich differenzierte Sprechwerkzeuge herausbilden.

Und wie stehen Sie zum Thema Tierschutz? Müsste man nicht Veganer werden, um Leid zu verhindern?

Ich glaube, dass man glückliche, artgerecht aufgezogene Tiere töten und essen darf. Was wir aber auf keinen Fall dürfen und wo wir mega-mega auf dem Holzweg sind, ist Massentierhaltung. Die basiert auf unserem Glauben, wir hätten ein Recht, jeden Tag Fleisch zu essen. Ich bin sehr für die Einführung des Sonntagsbratens, damit Fleisch wieder etwas ganz Besonderes wird. Außerdem sollte Fleisch seinen Preis haben.

Biofleisch hat den schon.

Richtig so. Wenn ich mir aber überlege, dass viele Menschen immer noch bedenkenlos billiges Quälfleisch kaufen, einen total übersäuerten Muskel, der in Angst gestorben ist, frage ich mich: Was soll denn das? Das macht doch am Ende auch den Menschen krank.

Präsentation von Stevan Pauls Buch „Die Philosophie des Kochens“: 20.30 Uhr, Buchhandlung Cohen + Dobernigg, Sternstr. 4

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