piwik no script img

heute in hamburg„Gefährliche Opferrolle“

Integration Podiumsdiskussion möchte zur gesellschaftlichen Teilhabe anregen

Düzen Tekkal

39, Journalistin und Regisseurin, engagiert sich mit ihrem Verein Hawar.help für Menschenrechte.

taz: Frau Tekkal, Sie sagen, die „bösen Zwillinge“ bedrohen Deutschland. Wen meinen Sie?

Düzen Tekkal: Ich meine die religiösen Extremisten und die Rechtspopulisten. Mit dem Begriff möchte ich klar machen, dass die Herkunft keine Rolle spielt, wenn es um Integration geht. Deutsche können genauso wenig integriert sein wie Migranten. Es geht mehr um das Gefühl, abgehängt zu sein. Beide Gruppen eignen sich eine gefährliche Opferrolle an. Deshalb glaube ich, dass es zwischen ihnen viele Parallelen gibt und sie sich gegenseitig bedingen.

Wie sieht die Opferrolle aus und was ist das Gefährliche daran?

Das Gefährliche daran ist, dass Opfer herrschen wollen. Viele Vertreter dieser Gruppen legitimieren sich damit, dass sie Diskriminierungserfahrungen gemacht haben. Deshalb muss man ja aber nicht gleich zum Extremisten werden. Das sage ich oft auch den Anhängern von Erdoğans Regierungspartei AKP. Vermutlich habe ich eine ganz ähnliche Biografie wie sie, deshalb muss ich mich ja aber nicht gleich radikalisieren.

Ihr Lösungsansatz lautet „German Dream statt German Angst“. Braucht es diese Phrase?

Die Frage ist ja, in was für einer Welt wir leben wollen und wie wir dieses Leben gestalten wollen. Da ist mir ein positives Bild deutlich lieber, auch wenn das für Sie etwas pathetisch klingt. Mir geht es darum, die defizitär konnotierte Migrations- und Flüchtlingsdebatte positiv zu besetzen und sich den bestehenden Problemen gemeinsam zu stellen.

Und was können wir konkret zur Problemlösung beitragen?

Letztendlich ist es wichtig, Dinge einfach anzupacken. Dabei kann sich jeder nur an die eigene Nase fassen und überlegen, was er oder sie in ihrem eigenen Lebensumfeld machen kann. Ich bin unter anderem Kriegsreporterin und habe einen Menschenrechtsverein gegründet, meine Schwester ist Fußballerin und trainiert Flüchtlingsmädchen. Wir merken tagtäglich, wie schwierig zivilgesellschaftliches Engagement sein kann. Trotzdem lassen wir uns von unseren Ideen nicht abbringen, auch wenn sich mal jemand auf den Schlips getreten fühlt.

INTERVIEW Marthe Ruddat

„In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“: Lesung und Diskussion mit Düzen Tekkal und Pröpstin Dr. Ulrike Murmann, 19.30 Uhr, Zentralbibliothek der Bücherhallen, Hühnerposten 1

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen