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heute in Bremen„Ein anderer Blick“

Kolonialgeschichte Die Historikerin Rebekka Habermas stellt ihr Buch „Skandal in Togo“ vor

Rebekka Habermas

58, ist Professorin für Mittlere und Neuere Geschichte an der Georg-August-Universität Göttingen und forscht zu Kolonialgeschichte.

taz: Frau Habermas, wird über die deutsche Kolonialgeschichte gesprochen, dann meist vor dem Hintergrund von Unterdrücker und Unterdrückten – stimmt dieses Bild?

Rebekka Habermas: Ja, Kolonialherrschaft ist immer auch Gewaltherrschaft. Es besteht jedoch die Gefahr, AfrikanerInnen als Opfer zu stigmatisieren. Das dockt an einen kolonialen Blick an, der people of colour als Barbaren ausstellt, die nicht für sich selber sprechen können. Jedoch können sie das und haben es damals auch schon getan.

Was das Thema ihres neuen Buchs „Skandal in Togo“ ist, das eine scheinbare Provinzposse im Kaiserreich zum Ausgang nimmt.

Im Zentrum steht ein Konflikt. Ein togolesischer Kolonialbeamter, ein Deutscher, wird beschuldigt, AfrikanerInnen vergewaltigt und getötet zu haben. Das kam in Kolonien durchaus vor. Dieser musste sich aber vor dem Berliner Reichstag dafür verantworten und Zeitungen haben sein Verhalten schließlich skandalisiert. Das hat einen Grund.

Welchen denn?

Ein lokaler chief, ein Sprecher der dortigen AfrikanerInnen, hat immer wieder Beschwerde beim Gouverneur von Deutsch-Togo eingereicht, dass jener Kolonialbeamte zu hohe Steuern verlange. Und mit Steuern ist hier Zwangsarbeit gemeint. Die dortige Mission stellte sich hinter den chief, welcher ungeachtet dessen verhaftet wurde und im Gefängnis starb. Doch das wird in den Zeitungen sowie im Gericht gar nicht erwähnt, da ein Afrikaner, der für seine Rechte eintritt, nicht zum Bild des Barbaren passt.

Das spricht auch gegen das koloniale Programm, „Barbaren“ erziehen und das Land kultivieren zu wollen.

Genau. Es ist interessant, dass eine Skandalisierung eines Kolonialbeamten möglich war, nicht aber AfrikanerInnen als selbstbewusste Männer und Frauen zu sehen. Dieser Gestus spricht der afrikanischen Bevölkerung Handlungsräume ab, die jedoch vorhanden sind oder waren.

Würde ein solcher Blick nicht aber Gefahr laufen, Täter-Opfer-Verhältnisse zu untergraben?

Nein. Worum es mir geht, ist ein anderer Blick – eine Wahrnehmungsverschiebung. Die Ausgangssituation in Kolonien ist für partizipatorisches Verhalten durchaus schlecht gewesen und es herrschte offene und vor allem willkürliche Gewalt. Es gab dennoch Menschen, die sich mit dieser Situation arrangiert haben, um strategisch positive Effekte für sich und andere herauszuholen. Sie einfach als Opfer zu degradieren, würde heißen, ihnen alles Eigene abzusprechen.

Interview Florian Schlittgen

20 Uhr, Landeszentrale Bremen des Technischen Hilfswerks, Togostraße 44

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