heute in Bremen: „Schlimme Erzählungen“
taz.Salon Die taz-Redakteurin Simone Schmollack stellt ihr neues Buch über Beziehungsgewalt vor
52, ist taz-Journalistin und Autorin zahlreicher Bücher. Sie hat Germanistik und Slawistik in Leipzig und Smolensk sowie Journalistik an der Freien Universität in Berlin studiert.
taz: Simone, du hast mir gesagt, dass erst der Verlag dich auf die Idee brachte, ein Buch über häusliche Gewalt zu schreiben.
Simone Schmollack: Das stimmt. Ich recherchiere zwar seit Jahren zu dem Thema und kenne alle relevanten Studien und die Fachliteratur, aber ich bin nicht darauf gekommen, dass es kein Buch gibt, das auch von normalen Menschen gelesen werden kann – und damit auch von den Betroffenen.
Wenn man so wie du über Geschlechtergerechtigkeit schreibt, gibt es ja erbaulichere Themen wie zum Beispiel gleiche Bezahlung oder die Vereinbarkeitsdebatte. Hat es dich nicht abgeschreckt, zu diesem Thema zu arbeiten?
Nein, gar nicht, ich wusste ja, was auf mich zukommt. Wenn andere hören, dass jede vierte Frau Gewalterfahrungen gemacht hat, dann sind die geschockt, aber ich kenne diese Zahlen seit langem. Und auch mit Betroffenen habe ich ja schon oft gesprochen. Ich muss aber sagen, dass die Gespräche für diese Recherche sehr intensiv waren, die haben mich länger als üblich beschäftigt. Denn zum Teil waren die Erzählungen schlimmer als das, was ich bereits kannte und was ich erwartet hatte.
Du hast auch zwei Männer interviewt, denen von ihren Partnerinnen Gewalt angetan wurde. Früher hieß es immer „Männer gegen Männergewalt“, heute wird sofort hinterher geschoben, dass Frauen auch zuschlagen.
Ja, da hat es eine Diskursverschiebung gegeben. Gewalt von Frauen gegen Männer existiert und ich finde es wichtig, dass das noch genauer untersucht wird. Aber 82 Prozent der Opfer von angezeigter Beziehungsgewalt sind laut dem Bundeskriminalamt immer noch Frauen. Wobei die Dunkelziffer um einiges höher sein dürfte – sagt auch der BKA-Präsident.
Im Buch gibt es keine Erklärung, warum Männer in Beziehungen gewalttätig sind. Hast du das bewusst ausgespart?
Ich habe mich dagegen entschieden, die Täterperspektive darzustellen, ich wollte, dass die Opfer zu Wort kommen. Aber so richtig erklären konnten mir das auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Beratungsstellen nicht. Bei manchen trifft wohl einfach zu, was neulich auf dem taz.lab eine Beraterin aus einem Münchner Frauenhaus sagte. Diese Männer haben gar kein Unrechtsbewusstsein, die denken, das steht ihnen zu. Aber dass dieses archaische Geschlechterbild überholt ist, das müssten die eigentlich auch mitbekommen haben.
Interview eib
Lesung: 19 Uhr, Lagerhaus, Schildstraße 12 bis 19; Eintritt frei
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