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hessen-fdp wird nervösFallschirmaufgespannt

Am interessantesten war die knappe Begründung. Nur ein Satz: Er trete zurück, weil er nicht mehr das Vertrauen der FDP besitze. Und schon war Franz Josef Jung nicht mehr Leiter der hessischen Staatskanzlei.

Doch so kurz der Satz war: Er brachte die CDU-Interpretation der hessischen Spendenaffäre auf den Punkt. Merkmal 1: Die CDU ist sowieso unschuldig – und dies gilt besonders für ihre Amts- und Mandatsträger. Zwar gab es schwarze Kassen, aber „persönliches Fehlverhalten“ ist trotzdem unbedingt auszuschließen. Daraus folgt Merkmal 2: Da die CDU nicht Täterin ist, muss sie Opfer sein. Es kann sich bei der Spendenaffäre nur um eine gigantische Verschwörung handeln. Dass Grüne und SPD zum feindlichen Lager zählen, war schon immer klar. Jetzt wurde die Liste eben um die FDP erweitert. Völlig unberechtigt hat sich der kleine Koalitionspartner erdreistet, das Vertrauen zu entziehen.

Kommentarvon ULRIKE HERRMANN

Was der kleine Satz aber auch verrät: Die hessische FDP ist endlich nervös geworden. Seit Monaten widersteht sie dem Druck des liberalen Bundesvorstands, sich von der Koalition mit Roland Koch zu trennen. Zu groß war die Angst vor Neuwahlen. Diese Angst dürfte inzwischen nicht kleiner geworden sein, nur wird eine andere Furcht langsam noch schrecklicher: dass die bisherigen Enthüllungen, so unglaublich sie schon sind, erst der Beginn einer Affäre sein könnten. Dass auf den Blick in den Abgrund bald der freie Fall folgen könnte. Kurz: dass es also Zeit ist, von Möllemann zu lernen und einen Fallschirm aufzuspannen.

Franz Josef Jung war dabei eine fast optimale Reißleine. Aus drei Gründen. Am wichtigsten: Er ist nicht Roland Koch. Auf ihn können die hessischen Liberalen nicht verzichten, denn sein Rücktritt dürfte die so gefürchteten Neuwahlen auslösen. Dann: Gegen Jung spricht ja tatsächlich, dass er CDU-Generalsekretär in Hessen war, als die momentan alarmierenden Spenden eingeschleust wurden. Und schließlich: Er ist zwar nicht der Ministerpräsident, aber als Leiter der Staatskanzlei immerhin so wichtig, dass sein Rücktritt als politisches Zeichen gewertet werden kann.

Aber diese politische Bedeutung Jungs ist leider auch gleichzeitig das Problem für die FDP. Er steht Koch zu nah, ist sein enger Vertrauter. Wenig glaubhaft, dass nur er etwas wusste, aber nicht sein Chef. So dürfte die hessische FDP bald doch wieder vor ihrem alten Dilemma stehen: Mit Koch untergehen – oder bei Neuwahlen scheitern?

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