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grüne außenpolitikNull Erwartung, null Enttäuschung

Deutschlands noch immer beliebtester Politiker hat seine Halbzeitbilanz gezogen – und sie ist so ausgefallen, wie sich Joschka Fischer zu sein angewöhnt hat: in der Sache bescheiden, in der Attitüde überheblich. Ersteres hat seinen Grund. Man habe ihn, so Fischer gestern, an der Erwartung von vor zwei Jahren zu messen: Wer nichts erwartet hat, so die immanente Logik, ist auch nicht enttäuscht. Das ist ein bisschen wenig – soll es doch auch Leute gegeben haben, die sich von grüner Außenpolitik tatsächlich Veränderung erhofften.

Kommentar von BERND PICKERT

Da war etwa die Hoffnung, eine rot-grüne Bundesregierung würde dem schrittweisen Ausbau der militärischen Komponente der deutschen Außenpolitik, den die Vorgängerregierung zielstrebig betrieben hatte, Einhalt gebieten. Das Gegenteil war der Fall. Die in der Koalitionsvereinbarung festgeschriebene Menschenrechtsorientierung der Außenpolitik diente geradewegs als Begründung für den ersten massiven militärischen Kampfeinsatz deutscher Truppen seit dem Zweiten Weltkrieg. Ohne den grünen Außenminister, so Fischer gestern, wäre darüber die rot-grüne Koalition geplatzt. Erfolg ist, wenn man weitermacht.

Noch immer hält die deutsche Außenpolitik die Menschenrechte hoch – ohne dass das irgendjemandem nutzt, weder in China noch in Tschetschenien, nicht einmal in der Türkei. Nicht nur in dieser Frage folgt die Bundesregierung in einer Striktheit den Vorgaben aus den USA, dass selbst manchen US-Amerikanern die Treue Fischers zu Madeleine Albright unheimlich wird. Zudem in den USA ein Regierungswechsel bevorsteht. Es ist symptomatisch für die Ideenlosigkeit des Auswärtigen Amtes, dass offenbar nicht einmal angedacht wird, wie etwa der Nahost-Friedensprozess weitergehen soll, wenn Clinton als Vermittler nicht mehr zur Verfügung steht. Hier verhält sich Deutschland wie bei Öcalan, Pinochet und Kongo-Krise: Es erklärt sich für nicht zuständig.

Bleibt die europäische Integration als wichtigstes Projekt. Fischer verbreitet Optimismus, die für die Erweiterung notwendigen institutionellen Reformen seien schon am Jahresende in Nizza auf den Weg zu bringen. Er muss das wohl sagen – ob aber seine Humboldt-Rede diesen Prozess beschleunigt hat, darf bezweifelt werden.

Mag sein, dass die Koalition einen grünen Außenminister braucht. Mag auch sein, dass das außer Fischer keiner kann. Ganz sicher ist aber nur, dass weiterhin nicht enttäuscht wird, wer sich nichts erwartet.

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