großraumdisco: Von Wölfen, Ponys und anderen schützenswerten Arten
Im Klövensteen, einem Wald in Hamburg, sind Wölfe gesehen worden. Einen zu treffen, ist zwar unwahrscheinlich, aber ein Infotag kann nicht schaden
Ganz schön groß, so ein Wolf. Macht Eindruck, wie er so durch das Fenster in den schummrigen Raum guckt, in dem knapp 20 Leute einem bärtigen Berufsschäfer aus Brandenburg zuhören, der aussieht wie man sich den Weihnachtsmann vorstellt oder wie Harry Rowohlt.
In freier Wildbahn möchte man diesem Tier eher nicht Auge-in-Auge begegnen. Das hier ist allerdings nicht lebendig und im Klövensteen, einem Wald ganz im Hamburger Westen, einem Wolf zu begegnen, kann zwar passieren, aber doch eher theoretisch.
Der Förderverein der Deutschen Schafhaltung hat trotzdem zu einem Infotag mit Kinderprogramm über Wölfe in die Gaststätte Pony Waldschänke geladen. Der Gasthof liegt mitten im Klövensteen, einem beliebten Hamburger Ausflugsziel. Keine 14 Kilometer von der Reeperbahn entfernt warten hier Ruhe und Frieden. Es gibt einen Ponyhof im Wald, wo Kinder auf einem 1,5 Kilometer langen Rundkurs am Zügel geführt werden können. Vor einigen Jahren konnte man auf einem Hof am Waldrand noch frische Kuhmilch in selbst mitgebrachte Behältnisse abfüllen und mit nach Hause nehmen und vorher noch ein paar Kälbchen streicheln.
Ohne Abstecher in die Pony Waldschänke bleibt eigentlich kein Ausflug in den Klövensteen. Es gibt Ziegen im Gehege, einen Kiosk und gute Pommes. Und an diesem Freitagabend hängen an der Hecke, die die Gaststätte vom Waldweg trennt, Transparente mit Parolen wie „Der Wolf frisst kein Gras“ und „Ein Herz für Schafe“. Auf die Tagesordnung, die etwas schrubbelig an einem Aufsteller klebt, hat jemand mit schwarzem Edding „Wölfe?!“ geschrieben.
Die Antwort ist: Ja. In ganz Hamburg hat es in den vergangenen 20 Jahren zwar nicht mal 20 nachgewiesene Wolfsichtungen gegeben. Aber im Klövensteen will man welche gesichtet haben. So alle zwei Jahre ziehe mal ein junger Wolf auf der Suche nach einem Revier hier durch, erzählt ein Nabu-Vertreter.
Vor dem Gasthaus stehen rustikale Holzmöbel, biergartenartig, auf denen sich Standardausflugsgäste mit Pommes und Bier, Wolf-Interessierte und Schäfersleute mischen. Richtig viel los ist am frühen Abend nicht mehr. Der Vortrag des bärtigen Schäfers über Vor- und Nachteile von Herdenschutzhunden – Vorteil: Sie passen gut auf eine Schafherde auf, darum wird Schäfern geraten, sich welche zuzulegen. Nachteil: Sie sind gefährlich, in Italien hat ein Herdenschutzhund mal eine Wanderin totgebissen – wird über einen Lautsprecher nach draußen übertragen. Eine schöne Erzählstimme hat er, mit dem Ins-Mikro-sprechen hat er es hingegen nicht so. Aber draußen hört eh keiner so recht zu, als er erzählt, wie schlau Wölfe sind und dass sie über Schutzzäune springen können, sogar mit erbeutetem Schaf im Maul. Das habe er selber schon gesehen.
Die Jägerschaft aus dem fernen Hamburg-Harburg ist mit einem Wolfsmobil gekommen, in dem vor allem präparierte heimische Tiere zu sehen sind, eine Spinnerin bietet Schaffelle an und erklärt, wie ein Wollknäuel ein Wollknäuel wird, eine Kräuterfachwirtin läuft herum und Mitarbeiterinnen eines forensischen Instituts, das Tierrisse untersucht und Gutachten erstellt, haben einen Infostand aufgebaut.
Wölfische Treffen
Die Fachgruppe Wolf des Nabu Hamburg trifft sich jeden ersten Donnerstag im Monat um 18 Uhr in der Nabu-Geschäftsstelle in Hamburg-Borgfelde, Klaus-Groth-Straße 21
Über allem schwebt eine politische Agenda, die der Nabu zwar nicht mitträgt, der Rest aber schon: „Günstiger Erhaltungszustand des Wolfes in Deutschland muss anerkannt werden.“ Sie wollen also erreichen, dass der Wolf nicht mehr als geschützte Art eingestuft wird, auch, damit sie sich mit mehr als Hunden und Zäunen gegen Angriffe wehren können.
Der Förderverein der Deutschen Schafhaltung hat darum Briefe entworfen, die man an Bundesumweltminister Carsten Schneider schicken soll, damit der dafür sorgt, dass Wölfe abgeschossen werden dürfen. „Bisher dürfen wir nur mit Wattebäuschen nach denen werfen“, sagt eine Schäferin.
Die Standardausflugsgäste wirken davon aber am Ende des Tages nicht überzeugt. Sie gehen lieber noch mal Ziegen kraulen und fahren zurück in die Stadt. Ilka Kreutzträger
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