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geschichte In den USA erinnert ein Dokumentarfilm an die Spiele 1976 in Montreal: Als die DDR mit dem Siegen begann. Und Amerika sich betrogen fühlteEin Sprung ins Kalte-Kriegs-Wasser

Kornelia Ender nach dem Finale über 200 Meter Freistil Foto: empics/The Canadian Press/picture alliance

aus New York Sebastian Moll

The Last Gold“ endet so, wie sentimentale Sportfilme nun mal zu enden pflegen. Die Trompetenmusik steigert sich zum Crescendo, während die Helden sich triumphal in den Armen liegen. Das Gute hat nach schweren Prüfungen gegen das Böse obsiegt, Rocky Balboa lässt grüßen.

Gezeigt wird in der Schlussszene der neuen Dokumentation über die Olympischen Spiele von 1976 (Regie: Brian T. Brown, in Deutschland auf iTunes erhältlich) die Freistil-Staffel der Frauen, bei der die vorher schwer von den DDR-Schwimmerinnen gedemütigten Amerikanerinnen doch noch eine Goldmedaille erkämpfen. Der Sieg wird dem Zuschauer als Triumph des Teamgeistes und der olympischen Beseeltheit gegen die roboterhafte Siegmaschinerie des damaligen Ostblocks verkauft.

Dem Happy End voran gehen anderthalb Stunden, die den Zuschauer mitten in den kalten olympischen Krieg zurück transportieren. Man erhält Nachhilfe in wohl vertrauten Fakten über das ostdeutsche Sportfördersystem – von der systematischen Talentauslese der Kinder- und Jugendsportschulen bis hin zum nicht minder systematischen Staatsdoping.

Auf der anderen Seite erhalten die amerikanischen Schwimmerinnen, heute im Großmütteralter, das Wort, um ihrer Verbitterung Ausdruck zu verleihen. Der Verbitterung darüber, 1976 um ihre vermeintlich wohlverdienten Goldmedaillen betrogen worden zu sein.

Es ist ein Schmerz, den die Frauen bis heute nur schwer los lassen können. Insbesondere Shirley Babashoff ist noch immer voller Zorn. Sie war die vielleicht talentierteste Schwimmerin ihrer Generation. Vor den Spielen in Montreal hatte man der Kalifornierin zugetraut, die Rolle von Mark Spitz zu übernehmen. Wie dem Superstar von München hätten ihr Ruhm und Werbemillionen gewunken. Stattdessen versank sie in der Anonymität. Eine lange Zeit war sie arbeitslos oder musste ihre Kinder mit einem Job als Briefträgerin ernähren.

Man fühlt mit diesen Frauen, die schon damals in den Medien als schlechte Verliererinnen gezeichnet wurden und die sich nach den Spielen von Montreal sämtlich im Zorn von ihrem Sport abgewandt haben. Und die Geschichtsschreibung, dass sie 1976 von der übermächtigen, hochtechnologischen Leistungsmaschinerie der DDR überrollt wurden, ist sicher auch nicht verkehrt.

Man fühlt aber, zumindest als Nichtamerikaner, beim Betrachten des Films auch mit den deutschen Schwimmerinnen von damals, unter anderem Kornelia Ender und Petra Thümer. Keine von ihnen leugnet vor der Kamera das Dopingsystem der DDR. Doch man spürt in den Interviews auch ihren Widerstand dagegen, sich als ideologische Buhfrauen missbrauchen zu lassen.

Keine von ihnen macht den Kniefall, den sich der amerikanische Zuschauer wohl gewünscht hätte und erklärt im Nachhinein Babashoff und Co zu den wahren Siegerinnen. Dabei spielt sicher die Skepsis eine Rolle, ob in den US-Trainingsgruppen tatsächlich alles so sauber zuging wie behauptet. Vor allem aber wollen sie in einem offen propagandistischen Werk nicht als Repräsentantinnen des absolut Bösen auftreten.

Der Film, produziert vom US-Schwimmverband USA Swimming, macht es sich allzu leicht bei der Einordnung der Ereignisse von damals. So hört man einen amerikanischen Sportler, der damals in der DDR studierte, sagen, „dass die Trainer alle überzeugte Kommunisten waren“ – so, als sei das ein Charaktermangel. Und es wird immer wieder wiederholt, dass die DDR-Sportler für politische Zwecke missbraucht wurden – so, als ob US-Sportler nicht als Systemvertreter gesehen wurden und noch immer werden.

Das Unangenehmste an dem Werk sind jedoch das Timing und die Platzierung. Er läuft als Einstimmung auf die Spiele im Olympiasender NBC. Das amerikanische Publikum wird darauf vorbereitet, die US-Sportler wieder einmal als die Guten zu sehen, die noch immer gegen finstere Mächte wie Russland und China antreten. Doping wird zum geografisch und ideologisch begrenzten Problem. Das pharmazeutische Wettrüsten, das der Auftritt der DDR Schwimmerinnen 1976 weltweit losgetreten hat, fällt dabei ebenso unter den Tisch wie die Frage, wie es sein kann, dass der US-Schwimmsport trotz allem seither unbeugsam dominiert. Das ist schade, für die NBC-Einschaltquoten jedoch vermutlich besser.

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