enduring freedom: Voraussehbare Fehlentscheidung
Die Karawane ist weitergezogen. Die Frage, über die vor einem Jahr beinahe die rot-grüne Koalition zerbrochen wäre, spielt in der öffentlichen Diskussion nicht die geringste Rolle mehr: Ob nämlich militärische Mittel geeignet, legitim und nützlich sind, um den internationalen Terrorismus zu bekämpfen. Der Bundestag wird heute das Mandat für die deutsche Beteiligung an der Militäroperation „Enduring Freedom“ um ein Jahr verlängern – besser gesagt: durchwinken. Ganz unspektakulär. Manche Befürworter des Einsatzes erklären das erloschene Interesse der Öffentlichkeit zu einem hinreichenden Beweis dafür, dass seinerzeit alle Kritiker irrten. Dabei beweist es doch lediglich, dass der freien Berichterstattung in Krisengebieten enge Grenzen gesetzt sind.
Kommentarvon BETTINA GAUS
Wir wissen fast nichts über die Situation innerhalb Afghanistans. Die meisten Gegenden können von Journalisten nach wie vor nicht bereist werden. Was wir wissen, immerhin: Der Krieg ist nicht zu Ende. Auch weiterhin sterben Zivilisten. Die Lage der Lebenden ist verzweifelt. Es fließt erheblich weniger Geld nach Afghanistan als ursprünglich versprochen. Es gibt keine Regierung, die diese Bezeichnung verdient. Ussama Bin Laden lebt. Der Islamismus gewinnt neue Anhänger, wie sich kürzlich an den Wahlen im benachbarten Pakistan gezeigt hat. Das ist nicht gerade eine berauschende Erfolgsbilanz für den Einsatz aller verfügbaren Kräfte der westlichen Welt.
Bei der heutigen Abstimmung geht es nicht um das Mandat für die UN-Truppen in Kabul. Vielmehr verlängert der Bundestag den Auftrag für ein paar Elitesoldaten, irgendwo in den afghanischen Bergen nach Terroristen zu suchen. Warum tut er das? Weil jede andere Entscheidung das Verhältnis zu den USA weiter belastete. Weil manche Abgeordnete davor zurückscheuen, sich innerhalb ihrer Fraktion zu isolieren. Und, natürlich: weil das alles beherrschende Thema ja derzeit nicht Afghanistan ist, sondern der Irak. Deutsche Parlamentarier werden in diesem Zusammenhang allerdings vermutlich gar nicht gefragt werden. Keine der anstehenden Entscheidungen bedarf einer Zustimmung des Bundestages, weder die Überflugrechte für US-Maschinen noch die Stationierung von deutschen Panzern in Kuwait. Wer den bislang beschrittenen Weg im Kampf gegen den Terrorismus für falsch hält, muss deshalb heute gegen den Antrag der Regierung stimmen. Eine weitere Gelegenheit wird es demnächst nicht geben.
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