piwik no script img

ejectMatti Lieske über Fußball für umme und globale Kraken

Bekenntnisse eines Payers

Ich gestehe: Ich bin Angehöriger einer kleinen nichtswürdigen Minderheit. Ich zahle. Für Unterhaltung. Nein, es geht natürlich nicht um Kino, Musikkonzerte, CDs oder Theater, das kostet, das weiß jeder. Nein, ich zahle für Fußball. Nicht etwa im Stadion, wozu gibt es Pressekarten, nein, jetzt ist es raus: Ich zahle für Fußball im Fernsehen. Genau, Asche auf mein Haupt, ich zahle an Kirch, den Gottseibeiuns, den globalen Kraken, der den armen Bertelsmännern die ganze schöne Medienlandschaft wegnehmen will und uns den Fußball. Oder besser gesagt, verkaufen will er uns den Fußball, also irgendwie doch wegnehmen, ach, ist ja auch egal.

Kirch also, dieser fette ... unersättliche ... na, Sie wissen schon, mit den miesen Freunden bei CSU und Bild, ausgerechnet der hat mich drangekriegt. Und das, obwohl doch ein Fachmann wie Konrad Freiberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), ihn und seine schuftigen Komplizen aus der Bundesliga so glasklar entlarvt hat. „Wer sich, wie viele Vereine, aus Gewinnsucht zu Sklaven eines Medienzars degradiert, entwertet den Sport, negiert die Interessen von Millionen Fußballbegeisterten und verliert jeden Anspruch auf öffentliche Unterstützung.“

Medienzar, Gewinnsucht, Sklaven – wohl gesprochen, Bulle! Selten sind Profitgier und Ausbeutung entschlossener in ihre Schranken gewiesen worden, wollen wir nur hoffen, dass das nicht die Kollegen aus Genua hören, sonst gibt’s auf die Mütze, Genosse Freiberg. Aber es geht ja um Fußball, da werden vielleicht sogar italienische Haubitzen zu Globalisierungsgegnern, zumal sie ja selbst auch so einen Kirch haben, der aber Berlusconi heißt und noch dazu gern den Oberboss raushängt. Aber ich schweife ab.

Genau genommen zahle ich ja auch mehr für NBA, NHL, italienische oder spanische Liga und solches Zeug, richtigen Fußball also, weniger für das Gegraupel in der Bundesliga. Okay, hin und wieder mal ein Spitzenspiel am Samstag- oder Sonntagnachmittag – zum Glück kann man ja den Kommentar zugunsten der Stadionatmosphäre abschalten – aber im Grunde reicht mir „ran“, und der neue Termin passt mir ausgezeichnet. Um die Zeit ist sonst eh nichts Gescheites im Fernsehen, zum Ausgehen ist es zu früh, es gibt genug Werbepausen zum Bierholen, und wenn man aus dem Stadion kommt, muss man auch nicht mehr so hetzen wie früher.

Außerdem gehört man jetzt als „ran“-Seher einem quasi exklusiven Kreis an, seit all die Intellektuellen und Journalisten, die jahrelang kein gutes Haar an der Sendung gelassen, sie aber offenbar trotzdem eifrig geschaut haben – sonst würden sie ja jetzt nicht so über die Verschiebung jammern – inklusive Kanzler als Volksmusikanhänger geoutet sind.

Immerhin beeindruckend, wie sie jetzt alle auf ihre Barrikaden aus New-Market-Aktienpaketen steigen und entschlossen die Kommerzialisierung in Decoderform bekämpfen. Da sage noch einer, die Leute hätten sich mit dem Kapitalismus abgefunden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen