ein jahr kosovokrieg: Der Tag: Donnerstag, 13 Mai 1999
AUS GRÜN WIRD ROT
Rot wie Blut tropft Joschka Fischer die Farbe vom Ohr. Der Werfer des Farbbeutels hat genau gezielt und dem Außenminister nicht nur das weiße Hemd verhunzt und ein Trommelfell lädiert, er hat ihm vor allen Fernsehkameras die Farbe des Krieges ins Gesicht gezeichnet. Und er hat sich als Pazifist, der den Krieg gegen Serbien ablehnt, mit seiner Gewaltaktion selbst unglaubwürdig gemacht.
Auf dem Sonderparteitag der Grünen in Bielefeld prallen nicht nur Realos und Fundis, sondern auch Regierungsmitglieder und Zu-kurz-Gekommene aufeinander. Einerseits geht es um grüne Grundüberzeugungen, andererseits um die Arroganz der Macht. Und um Neid. Die Buhrufe, Trillerpfeifen und „Mörder“-Sprechchöre vieler Delegierter spielen die Begleitmusik.
Die strikten Kriegsgegner um Christian Ströbele und Annelie Buntenbach fordern einen sofortigen Stopp der Luftangriffe. „Ich werde das nicht umsetzen, wenn ihr das beschließt, damit das klar ist“, ruft Joschka Fischer. Am Abend wird der Antrag mit 444 zu 318 Stimmen abgelehnt, die Mehrheit folgt dem Kurs der grünen Regierungsmannschaft. Deren Leitwolf weiß jetzt, wie es ist, nicht Star sondern Buhmann eines Parteitags zu sein. HAR
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