editorial: In dieser literataz
Pleasure als politische Botschaft. Wie soll das gehen? Wo doch Wut und Depression die wohl paradigmatischen Gefühle unserer Gegenwart sind. Davon zeugen die politischen Auseinandersetzungen und davon zeugen die Sachbücher in dieser literataz, die auf unsere Gegenwart reagieren, versuchen, sie zu verstehen. Eva Illouz (S. 16), Andreas Reckwitz (S. 12), Anne Applebaum (S. 13) oder Delphine Horvilleur (S. 15) und andere haben wichtige, lehrreiche Bücher zum Verständnis der Konflikte und Affekte vorgelegt, die uns derzeit zu Getriebenen machen. Zuletzt schallte einem oft der Begriff Resilienz entgegen, als ob es nur noch darum ginge, das alles zu überstehen! Pleasure klingt da vielversprechender. Zumindest bei Jovana Reisinger, die auf dem Titel dieser literataz ist. Ihr geht es um das Begehren, die Lust, den Glamour und das Überschreiten der Konventionen und der Klassengrenzen. Das hat auch viel mit Style zu tun. Etwas, wovon die Deutschen keine Innenansicht haben. Ein Vergnügen ist diese Frau! Ein wahrhaftes.
Besonders lustvoll oder glamourös geht es in der deutschen Provinz wahrlich nicht zu. Wenn der Wolf und völkische Ideologien Einzug in die ländliche Idylle nehmen (S. 3), hilft womöglich nur noch eins: die Flucht nach Hollywood (S. 5). Von Fluchtbewegungen weiß auch die in Russland lebende Oxana Wassjakina zu berichten. Sie reist in ihrem zweiten Roman kreuz und quer durch die sibirische Steppe, mit ihrer Geliebten und dem entfremdeten Vater (S. 4). Doch es gibt auch Gutes, Schönes zu verkünden, im Jahr 2024: Italien ist Gastland dieser Buchmesse und bringt somit eine ganze Reihe neuer Autorinnen nach Frankfurt am Main – die im Gegensatz zu so einigen ihrer Schriftstellerkollegen die reiche weibliche Literaturgeschichte ihres Landes nicht vergessen haben (S. 6). Dabei geriet die Autor:innendelegation ohnehin bereits zum Politikum: Nachdem der Schriftsteller, Anti-Mafia-Journalist und Meloni-Kritiker Roberto Saviano nicht eingeladen worden war, sagten andere wiederum ihre Teilnahme ab. Doch der große Boykott bleibt aus: Nun reisen eben zwei Delegationen aus Italien an.
Redaktion: Julia Hubernagel, Dirk Knipphals, Tania Martini
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Tania Martini, Julia Hubernagel
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