dieser verdammte krieg (57):
ROGER WILLEMSEN führt heute das Kriegstagebuch der taz.
Der Sieg
Was für ein Sieg! Ein Sieg über ein Volk, dem man nie den Krieg erklärt hat, das unter Streubomben stirbt, auf der Flucht oder in Flüchtlingslagern, wo man sich auf 100.000 tote Kinder einrichtet. Ein Sieg über eine Volksgruppe, deren Kriegsgefangene massakriert oder in Containern erstickt, deren letzte Kämpfer mit „Daisy-Cutter“-Bomben vernichtet werden, Bomben, die nach geschnittenen Gänseblümchen benannt werden, aber im Radius von 600 Metern alles Leben vernichten. Ein Sieg über ein Land, das nach bisherigen Kenntnissen wohlgemerkt keinen einzigen Bürger hervorgebracht hat, der unmittelbar oder mittelbar an den Attentaten des 11. September beteiligt war. Ein Sieg, der in einem Höhlensystem vollendet wurde, das von der CIA finanziert und von Pakistan logistisch entwickelt wurde. Ein Sieg über jene, die „den internationalen Terrorismus beherbergt haben“, aber vermutlich nicht viel mehr zu ihm beigetragen haben als die Städte Hamburg und Bochum. Ein Sieg auf der Suche nach einem Mann, der in einfältiger Dämonisierung durch George Bush als das „Schlimmste“ bezeichnet wird, „das die Zivilisation hervorgebracht hat“, und der doch, wie Donald Rumsfeld noch vor Wochen einräumte, vielleicht nie gefunden werden kann. Ein Sieg mit vielen Opfern, doch ohne Besiegte, denn seit Beginn des Krieges haben wir ebenso oft gehört, es gäbe „Beweise“ gegen Bin Laden, wie, es gäbe „Hinweise“. Ein Sieg also, der die Zerstörung eines vermutlich völlig unbeteiligten Landes auf der Basis von „Hinweisen“ vollendet, ein Völkermord also. Was für ein Sieg!
MORGEN: Sibylle Berg
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