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die wortkunde

Gegen eine Bildungswende kann nun wirklich niemand etwas haben. Dass es schlimm um den Geist der Jugend steht, ist regelmäßig zu lesen – wenn eine Pisa-Studie veröffentlicht wird etwa. Auch Unternehmer klagen regelmäßig über das mangelhafte Material, das ihnen die Schulen zuliefern. Dass höhere Bildung fast nur diejenigen erreicht, deren Eltern einen Studienabschluss haben, ist eine der großen Ungerechtigkeiten dieses Landes. Eine Bildungswende muss also her. Womit wir beim Wort Wende wären, mit dem gerne die friedliche Revolution bezeichnet wird, in der sich die DDR-Bürgerinnen und -Bürger vom SED-Regime befreiten.

Seit die AfD [igitt! d. Säzzer] bei Wahlen plakatiert hat, sie wolle „die Wende vollenden“, mögen viele den Herbst 1989 nicht mehr so bezeichnen. Aber es gibt noch andere Wenden. Die Rollwende, auch Kraulrollwende genannt. Mit ihr lässt sich im Schwimmbecken der perfekte Richtungswechsel um 180 Grad vollziehen. Und die Zeitenwende. Die hatte Olaf Scholz verkündet, nachdem Russland die Ukraine überfallen hatte und dann auch vollzogen, wie er selbst sagt. Andere bezweifeln, dass sich wirklich was geändert hat. Wirklich ändern will sich die taz. Die hat zur Seitenwende geblasen und will ab Oktober an Werktagen die Papierzeitung durch digitale Angebote ersetzen. Nach dem 17. Oktober kann man sich davon ein Bild machen.

Womit wir beinahe wieder beim Thema Bildung wären. Das Wort stammt vom althochdeutschen bildunga, was „Formung“, „Gestalt“ oder „Bildnis“, aber auch die Vorstellungskraft bezeichnen kann. Wie sich die Grünen das vorstellen mit der Formung der jungen Menschen, steht in ihrem Papier mit der Überschrift: „Für die Bildungswende: Beste Chancen für alle, Fundament unserer Demokratie“. Das sei ja gut und löblich, meint dazu das Bündnis Bildungswende JETZT!. Aber neu sei das alles nicht und schon gar nicht neu sei der Begriff Bildungswende. Eine solche fordere das Bündnis aus mehr als 200 Organisationen schon seit 2023.

In einem Schreiben an die taz hat das Bündnis darauf hingewiesen, dass sich die Grünen einfach an dem Begriff bedient haben. Und auch die taz habe ihn übernommen, ohne darauf zu verweisen, wer die Bildungswendebegriffserfinder seien.

Der nächste Plagiatsfall bei den Grünen, der dann am Ende doch keiner ist? Gott bewahre! Mit dem versessenen Plagiatsjäger Stefan Weber sollte man die Leute von Bildungswende JETZT! nun wahrlich nicht in einen Topf werfen. Ersterer ist ein verbohrter Krieger im Kulturkampf gegen alles Linke und Grüne, die anderen sind Vertreter eines hehren Anliegens. (arue)

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