die wortkunde:
Einen Deutschlandpakt gab es schon einmal. Unter diesem Motto machten vor fast 20 Jahren zwei rechtsextreme Parteien gemeinsame Sache: Im Jahr 2005 vereinbarten die NPD und die Deutsche Volksunion (DVU) des rechtsextremen Verlegers Gerhard Frey, bei Landtagswahlen sich künftig keine Konkurrenz mehr zu machen, sondern mit gemeinsamen Listen anzutreten. Nur vier Jahre später kündigte die NPD das Bündnis auf, und besagter Deutschlandpakt war passé.
Diese Vorgeschichte dürfte Olaf Scholz und seinem Kommunikationsteam bekannt gewesen sein. Dennoch entschieden sie sich nun dafür, seinem Appell an Länder, Kommunen und die Union zur besseren Zusammenarbeit diesen vorbelasteten Namen zu geben. Als „Deutschlandpakt“ kündigte Scholz am Mittwoch im Bundestag seinen Vorstoß zur Modernisierung des Landes an.
Es gab eine Zeit, da gruselten sich Linke und Linksliberale vor Wörtern wie „Deutschland“, „Nation“ oder „Heimat“ und mieden sie, soweit es nur ging. Der Nationalsozialismus hatte jene Begriffe kontaminiert. Doch das ist lange her. Heute liegt es im Trend, solche Vokabeln nicht den Rechten überlassen zu wollen. Deshalb deutschtümelt es überall, mit der „Heimat“ haben selbst die Grünen ihren Frieden gemacht.
Als Horst Seehofer 2018, damals frisch als Bundesinnenminister im Amt, sein Haus zum „Heimatministerium“ erklärte, ging noch ein Raunen durch die Republik. Seine Nachfolgerin Nancy Faeser hat den Titel „Ministerium für Inneres und Heimat“ beibehalten, ohne damit noch für Aufsehen zu sorgen. „Deutschland“ ist als Wort noch beliebter. Bereits 2009 legte Frank-Walter Steinmeier einen „Deutschland-Plan“ vor, um als SPD-Kanzlerkandidat auf Stimmenfang zu gehen. Die bundesweite Fahrkarte für den öffentlichen Nahverkehr wurde von der aktuellen Regierung nicht zufällig „Deutschlandticket“ getauft. Von „Schland“ spricht, wie vor einigen Jahren mit ironischer Distanz, heute niemand mehr. So viel Deutschland war nie.
Auch das Wort „national“ ist rehabilitiert. Seit dem „Nationalen Integrationsplan“ von Angela Merkel 2006 verzichtet kein Bundesprogramm, das etwas auf sich hält, auf diese Vorsilbe. Deshalb geht dem Kanzler die Beschwörung einer „nationalen Kraftanstrengung“ heute leicht über die Lippen, und niemand zuckt. Aus dem Mund von AfD-Chef Tino Chrupalla hätte es sicher einen anderen Klang. Die Entnazifizierung solcher belasteten Begriffe gelingt in gewisser Weise also schon.
Aber es gibt auch eine Gegenbewegung: Die NPD hat sich im Juni schlicht in „Die Heimat“ umbenannt, in der Hoffnung, harmloser zu wirken. Aber wer lässt sich davon täuschen? Mehr als auf Begriffe kommt es am Ende eben doch auf deren Inhalt an. Daniel Bax
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