die wahrheit: 250 Jahre Hirschrufmeisterschaften
Ein Gedicht von Reinhard Umbach.
250 Jahre Hirschrufmeisterschaften
Wenn sich im Herbst ins Waldessehnen
so imposante Rufe dehnen,
dass selbst die Achtzehnender stocken
und sich zum Schutz ins Dickicht hocken,
dann geht es sicher um die Schale
im Hirschrufmeisterschaftfinale.
Da blicken wir doch gern zurück
auf den Beginn der Hirschkritik
In Kants "Kritik der reinen Brunft"
ist nur am Rande von Vernunft
und Geist die Rede. Überwiegend
schickt er versteckt in Deckung liegend
sein pralles Rufen in die Runde.
Und das zur späten Stunde.
Wer damals bei Kaliningrad
im Herbst auf eine Lichtung trat,
der konnte dieses Röhren
nur schwerlich überhören.
Noch bis ins ferne Bresewitz
vernahm im Feld der Alte Fritz
erstaunt die feuchten Strophen
des Lieblingsphilosophen.
Denn frei von jeder Urteilskraft
stand damals Kant so sehr im Saft
und in die Klänge eingeweiht,
dass Beethoven sehr lange Zeit
erwog, mit ebendiesen
die Neunte abzuschließen.
Bis heute scheiden sich die Geister,
ob Kant nun mehr als Hirschrufmeister
denn Philosoph zu schätzen sei.
Die Wahl steht freilich jedem frei.
Zumindest weiß man schon so viel:
Kants Ruf steht doppelt auf dem Spiel.
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