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die wahrheitDer homosexuelle Mann

Er muss jetzt herhalten als Erfolg der 68er-Studentenbewegung. Das Jubiläumsjahr der Erinnerung hat begonnen, und die Zeitgenossen von damals versuchen die Bilanz aufzupolieren...

... muss jetzt herhalten als Erfolg der 68er-Studentenbewegung. Das Jubiläumsjahr der Erinnerung hat begonnen, und die Zeitgenossen von damals versuchen die Bilanz aufzupolieren. Denn das Aufbegehren der Studenten vor 40 Jahren ist ins Gerede gekommen. Für vieles, was schief läuft in der aktuellen Republik, sollen sie verantwortlich sein. Das behaupten die Konservativen schon lange, und die Generation der Nach-68er pflichtet ihnen bei aus Trotz und Ignoranz. Selbst einige Aktive von damals wollen heute nichts mehr wissen von ihren damaligen Reden und Taten.

Da bleibt nicht mehr viel, was sich ohne Widerspruch als Errungenschaft der Revolte verklären lässt. Die Verbesserung der sozialen Lage der Homosexuellen soll auf jeden Fall dazugehören - das behaupteten jedenfalls kürzlich Stern-Autor Arno Luik sowie Grünen-Politiker Jürgen Trittin. Die 68er haben - so Luik - "dafür gesorgt, dass der Paragraf 175 des Deutschen Reiches entsorgt wurde", und die 68er - so Trittin - haben die Zeiten abgeschafft, "wo ein liberaler Parteiführer seinen Lebensgefährten verstecken musste, weil er sonst der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt war". Die Erinnerung trügt, und wir werden in den nostalgischen Zeitreisen der kommenden Gedenkmonate sicherlich noch mehr solcherlei Reminiszenzen begegnen.

Für vieles können sich die streitbaren Männer von damals heute voll Stolz auf die Schulter schlagen, und die Atmosphäre, die sie mitgeschaffen haben, hat ohne Zweifel dazu beigetragen, dass auch Lesben und Schwule die Zeichen der Zeit erkannten, sich organisierten und auf die Straße gingen. Das wars dann aber auch schon. Ansonsten entpuppten sich die Genossen als genau so schwulenfeindlich wie jeder dahergelaufene Spießer, von dem sie sich doch unbedingt unterscheiden wollten. Auf den Teach-ins, die seinerzeit zuhauf stattfanden, bildeten die Schwulen immer das Schlusslicht der Rednerlisten und kamen erst dann zu Wort, wenn der Saal längst leer war. Bei den Demonstrationen mussten sie am Ende des Zuges Aufstellung nehmen, sofern sie sich kenntlich machten als eigener Block.

Wer beispielsweise Joschka Fischer zugehört hat, wenn er über Schwule sprach, dem schwante Böses: Schwule waren nicht gern gesehen in linken Kreisen. Ihren Ideen ließ sich abstrakt zustimmen, das verlangte der revolutionäre Furor, aber der schwule Mann in den eigenen Reihen wurde missachtet und an den Rand gedrängt. "Du selbst bleibst lieber unbeleckt / Vom Homosexualitätsdefekt", hieß es damals in dem Schwulensong "An den linken Mann": "Dialektik ist es, was du willst / Du wärst so gerne bi / Du willst wohl wirklich alles sein / Doch Schwulsein? Niemals! Iiiiiiihhhhh!"

Eine Schwulenbewegung hat sich dennoch behauptet und durchgesetzt. All die Erfolge, die heute so gern aufgelistet werden, um den gesellschaftlichen Fortschritt in Sachen Homosexualität zu belegen, sind zuallererst dieser Bewegung zu verdanken und niemandem sonst. Hätten linke Genossen die Oberhand gewonnen in dieser Angelegenheit, wären Schwule längst verschwunden in der Falle des Nebenwiderspruchs. Und Wowereit müsste heute ohne Partner zum nächsten Staatsbankett.

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