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die wahrheitWo seien Jesus?

Kommentar von Mathias Wedel

Missionare sind unter uns und sehen aus wie die polnische Putzfrau von nebenan.

Sabrina macht was mit Fernsehen. Andreas macht was mit IT. Larry macht sich in die Hose. Sie sind glücklich und gesund. Wenn nur jemand mal das Geschirr abspülen könnte und sich der Autoschlüssel wieder fände - Sabrina muss die Karre morgens kurzschließen, damit sie startet. Und wenn Andreas eine frische Unterhose sucht, fasst er oft in etwas Weiches oder Warmes oder Feuchtes, meist in eine Windel oder anderes.

Wozu gibt es Putzen? Man ist jung, man ist verliebt und man verdient gut. Unser modernes Leben funktioniert hochgradig arbeitsteilig. Man muss nicht alles selber machen! Beispielsweise das Katzenklo säubern und den rätselhaften Fleck aus dem Sofa entfernen, der wie ein Hautkrebs wöchentlich zu wachsen scheint - das muss man nicht, wenn die IT-Branche und das Fernsehen nach einem ruft.

Jadwiga bot ihre Dienste mit Handzetteln an, die sie an Straßenbäume heftete: "Blitzblank - Jadwiga Gott sei Dank" stand darauf. Sie war auch schon gesichtet worden: eine Frau, die ohne Haushaltsleiter ein Oberlicht putzen könnte. Sie zog einen Rolli hinter sich her, der alle notwendigen Utensilien enthielt.

Zu ihrem Antrittsputz hatte sich Andreas frei genommen, und auch Larry hatte kitafrei. "Herr im Himmel!", sagte Jagdwiga, als sie noch im Flur stand und einen Blick auf die Lage geworfen hatte. "Viel Arbeit, gutt Arbeit!" Und mit einem Blick in die Spielecke, aus der Larrys Brabbeln drang, fragte sie: "Wo seien Frau?"

Tja, die Frau! Die macht was mit Fernsehen. So war es jetzt immer: Jadwiga stapfte von einem Wäscheberg zum anderen, blieb kopfschüttelnd vor der Halde stehen, unter der das quasi eheliche Bett verschüttet war, starrte auf den Fleck im Sofa, trat gegen die Mülltüte und rief: "Wo seien Frau?!" In der Küche ergriff sie einen Löffel und klapperte in dem Topf herum, in dem Puddingreste trockneten. "Das dein Essen, Mann?", röhrte sie. Und wieder: "Wo seien Frau?" Schließlich, einmal in Fahrt, zog sie den wimmernden Larry zu sich herauf und brummte: "Mama nix gutt, Kind arm. Arme Kind, arme Mann, nix Essen."

Sie schliff die Dielen mit feinstem Sand aus Masuren, putzte, schwitzte, schnaufte und grunzte. Sie kämpfte mit dem Fleck im Sofa. Unter den Bezug, stellte sich heraus, war vor Jahren eine Bananenschale gewandert. Und sie schrie im Minutenabstand Andreas an: "Wo seien Frau?!" oder "Was du heute essen, Mann?", und zu Larry: "Frau nix gutt! Arme Kind."

Eines Tages aber schaute sie sich nach getaner Arbeit um, breitete die Arme aus, als wollte sie die Wüste segnen, und sagte: "Gutt sauber. Aber wo seien Jesus?" - "Ha, ha", erwiderte Andreas aufgeräumt, "nix Jesus. Aber hier, Katze heißen Johannes Paul!" Böse fiel die Tür ins Schloss.

"Du darfst auf keinen Fall zu Hause sein, wenn sie kommt. Sie schlägt dich tot", sagte Andreas fürsorglich zu Sabrina. "Und mein Kind?", kreischte Sabrina. "Das müssen wir ihr lassen", sagte Andreas. "Frau seien nix da, Jesus auch nix. Versteh doch, Sabrina, Larry ist Jadwigas einziger Halt! Er verkörpert in unserer Wohnung sozusagen das Gute. Gott, wenn du so willst." - "Scheiße", sagte Sabrina, "wie kriegen wir die wieder los?"

Das fragte sich Andreas inzwischen auch, denn selbst in der IT-Branche kann man sich nicht immer frei nehmen, wenn die Putze kommt. Er versuchte es in den folgenden Wochen mehrmals mit "Arbeit gutt. Fini! Ende! Konjez! Alles gutt". Oder mit "Nix mehr kommen, bitte!". Aber Jadwiga schien nicht zu verstehen.

Inzwischen lag alles auf Kante. Es gab nichts mehr zu tun. Stundenlang trug sie Larry durch die Wohnung und murmelte: "Arme Kind. Wo seien Jesus?" Schließlich wurde Andreas und Sabrina klar: Jadwiga würde erst verschwinden, wenn sie die Gewissheit erlangt hatte, dass ihre Mission erfüllt war.

Jadwiga - wie jede Professionelle hatte sie längst einen Schlüssel - rumpelte zum Flur herein. In der Wohnung war es still. Mit ihrem "Wo seien Frau?!" stieß sie die Küchentür auf. Andreas stand auf einem Stuhl und schwenkte zwei knisternde Wunderkerzen. Auf dem Fensterbrett und auf dem Küchentisch brannten Teelichter. Neben dem Herd kniete ein Wesen in Kittelschürze und mit Lockenwicklern im Haar vor einem aufgeschlagenen Prachtband von Steven Kings "Es", bekreuzigte sich - allerdings verkehrt herum - und murmelte: "Vater unser, Kommunist mit Pimmel, deine Rille ich sehe?" Pure Freude erhellte Jadwigas Antlitz. Gerührt fragte sie: "Und wo seien Jesus?" Stumm wies Sabrina auf ein Bildchen aus der SuperIllu, das sie an die Küchenuhr geklebt hatte - es zeigte Achim Menzel.

"Oh!", hauchte Jadwiga, und Wasser trat ihr in die Augen. "Frau gutt!", stammelte sie, kniete neben Sabrina nieder und flüsterte ihr zu: "Mann nix Arbeit. Mann nix gutt!"

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1 Kommentar

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  • FS
    Friedemann Stinder

    Was soll so ein Artikel?

    Damit werden mal wieder alle Vorurteile bestätigt:

    Polen sind fromm und doof.

    Und natürlich ist der deutsche Linke total überlegen: Wie kann man nur so gottgläubig-naiv

    sein, die gute deutsche Sprache derartig verknautschen und versuchen, durch Putzen die Welt in Ordnung zu bringen??

    Da haben es die frivolen chaosliebenden "Opfer" der polnischen Reinmachfrau aber mal richtig gezeigt!

    Und der linke deutsche Leser freut sich klammheimlich, daß es so etwas in der taz zu lesen gibt...