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die wahrheitkarma ist quatsch mit soße

Es gibt Dinge, die man einmal im Jahr tun muss. Das Handschuhfach im Auto ausmisten, alte Socken und U-Hosen wegschmeißen, zum Zahnarzt gehen...

Es gibt Dinge, die man einmal im Jahr tun muss. Das Handschuhfach im Auto ausmisten, alte Socken und U-Hosen wegschmeißen, zum Zahnarzt gehen, den Buddhismus beschimpfen. Obwohl es im Moment offensichtlich viel hipper ist, den Islam zu beleidigen. Zu diesem Zwecke werden sogar absurde Liebschaften eingegangen. Linke oder ehemalige Linke halten Händchen mit immer schon Rechten, Atheisten füßeln unterm Altar mit CDU-Katholen, Bildungsbürger zungenküssen sich mit NPDlern.

Trotz dieser glibschigen, ekligen Verbrüderung von Islamphobikern aller Couleur ist ja grundsätzlich gar nichts dagegen einzuwenden, auf den Islam einzudreschen - so wie eben auf alle anderen Religionen. Da Glaubensgemeinschaften dazu neigen, den Menschen, auch den Ungläubigen, vorzuschreiben, wie sie zu leben haben und was sie mit ihren Geschlechtsteilen tun und nicht tun dürfen, muss man sie in ihre Schranken weisen.

Aber solange ich sonntags von Kirchenglocken geweckt werde und akzeptieren muss, dass die katholische Kirche weiter gegen Schwule und Lesben hetzt oder christliche Sekten ihre Kinder von Tür zu Tür jagen, um die frohe Botschaft zu verkünden, hält sich mein Furor gegenüber dem marginalen Einfluss des Islam - im Vergleich zum christlichen - auf unsere Gesellschaft in Grenzen. Das Leben ist nun mal kein Ponyschlecken, um mal den großen Wildwest-Philosophen Hank Twang zu zitieren.

Das heißt aber nicht, dass man sich über gar nichts mehr aufregen darf. Da ich in meinem Bekanntenkreis wenige orthodoxe Muslime, Juden oder Christen habe, nerven mich eher andere religiöse und parareligiöse Phänomene. Wie der um sich greifende neoliberale Mode-Buddhismus. Wenn mir noch mal jemand erzählt, die Armut oder Krebserkrankung eines Menschen habe mit dessen "Karma" zu tun, dann melde ich ihn sofort in der FDP an. Oder in irgendeinem anderen Ätsche-bätsche-Selbstschuld-Verein wie der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft".

Der einzige seriöse Kommentar, den man zum Thema "Karma" abgeben kann, ist der US-Fernsehserie "My Name is Earl" zu entnehmen, in der ein schnauzbärtiger kleinkrimineller Pechvogel versucht, sein Leben wieder in Ordnung zu bringen, indem er eine Liste mit allen seinen bisherigen Untaten aufstellt, um anschließend Wiedergutmachung zu betreiben.

Was vor allem sehr komisch ist und zum Motto der Sendung führt: "Karma is a funny thing". Und zum Vorwurf "My Name is Earl" sei eine Scientology-Propaganda-Sendung, weil auch in dieser streng kapitalistischen Religion das Konzept "Karma" eine gewisse Rolle spielt. Tatsächlich stellt die Serie aber nur eins klar: "Karma" ist ein anderes Wort für Quatsch mit Soße.

Selbstverständlich gibt es ein "Prinzip von Ursache und Wirkung", aber aus dieser Binsenweisheit eine Religion zu basteln, ist genauso absurd, als ob man eine Kirche auf die Erkenntnis gründete, dass ein Ei aus ein Meter fünfzig fallen gelassen auf dem Küchenboden zerschellt. Obwohl ich mir nicht sicher bin, dass in Kalifornien nicht genau diese Religionsgemeinschaft zur sonntäglichen Eierkuchen-Messe einlädt.

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9 Kommentare

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  • S
    snowie

    Ich finde den Artikel zwar stilistisch auch nicht so 100% gelungen, aber zum Thema "Karma" etc:

     

    Ich vermute (auch aufgrund von Erlebnissen mit verschiedenen Menschen verschiedener Weltanschauung), dass solche "Ideen" - wie viele Ideen - als Erklärungsversuche von Phänomenen entstanden sind, die den Menschen rätselhaft waren, z.B. Krankheit. Manche Menschen, die selbst krank waren oder durch Unfall liebe Menschen verloren haben, hat es vielleicht tatsächlich "beruhigt", wenn sie geglaubt haben, dass das doch irgend einen "Sinn" hat - gilt ja für viele Religionen.

     

    Die Menschen haben dabei aber offenbar einfach nicht erkannt und tun es bis heute dabei oft nicht, dass dies in den Konsequenzen

     

    1. schwer logisch durchzuhalten ist (wie 'frei' sind Entscheidungen wenn ein Karma die Welt durchwaltet? Wie moralisch gerecht sind 'Strafen' überhaupt und speziell wenn doch das Karma die Ursache von Allem ist? - oder wovon genau ist es n i c h t die Ursache?), und

     

    2. in vielen Konsequenzen menschenverachtend ist.

     

    (schon bei Nietzsche und/oder "sozialdarwinistisch" denkenden Leuten bis heute, werden diese Konsequenzen dann geradezu zu einer Tugend gemacht, mit einer "Verachtung der Verlierer", zu denen nicht zu gehören "man" dann "stolz" ist. Sogar manche "alternativen Heilmethoden" haben solche Elemente, wozu letztlich auch Scientology zu rechnen wäre).

     

    Nicht primär 'kritisch' gemeint, aber sehr gut zu diesem Thema passend finde ich den Film Blindsight , ein Doku film über ein Projekt, das blinden tibetischen u. chinesischen Kindern eine Bergtour ins Himalaya-Massiv ermöglicht, um ihr Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl und auch Vertrauen in andere Menschen etc. zu stärken.

  • GM
    Gretchen Meier

    Ich find, ALLES ist Quatsch mit Soße!

     

    Naja, nachdem ich Rumpelstilzchens Empfehlung wahrgenommen habe und etwas an meinen Blutdruck gedacht habe, will ich die Kritik etwas abschwächen. Der Anfang ist echt gut, sagt eigentlich genau das aus, was gerade so stattfindet, während die Kirchenglocken nur so läuten, als gäbs nichts anderes auf der Welt. Aber irgendwie reißts dann ab, weil der Schreibstil gar so unterhaltsam sein möchte, was irgendwie dilettantisch wirkt. Die einen reden überheblich aber profan über Karma und die anderen ziehen es dann wieder durch den Dreck - alles Quatsch mit Soße!

  • N
    nina

    "Wahrheit" ist aber doch auch Quatsch mit Soße, oder ? Nicht ?

  • K
    Kunstgenießer

    Also ich fand den Artikel toll - spaßig zum Lesen und auch noch mit einer guten Botschaft. :-) Schön dass mal jemand darauf hinweist, dass der ach so liebe Buddhismus den Menschen, die großen Unglück ertragen müssen, dafür auch noch die Schuld gibt. Das ist ein sehr grausamer Zug dieser Religion - "Du hungerst oder bist behindert? - Na dann hast Du im früheren Leben wohl etwas schlechtes getan und das ist nun die Quittung!" Brrr - Menschen dürfen wirklich jeden Quatsch behaupten und nennen es dann Religion, um sich vor Kritik zu schützn. Da tun solche Artikel gut - erst recht wenn sie so unterhaltsam sind. :-)

  • WV
    Willy Voigt

    Erst mal vielen Dank an Gretchens tolle Mail.

    Und dann noch meine immer neue Verwunderung darüber, dass gerade in der TAZ regelmäßig eine Religion in Schutz genommen, die einem Buch folgt, das in vielen Suren fordert, gegen uns Ungläubige Gewalt auszuüben. Und die das in diesem Buch Geschriebene für Gottes Wort hält, weshalb Interpretationen entweder verboten oder nur schwer möglich sind.

     

    Und ich frage mich, warum nie über folgende Suren v.a. mit der deutschen Muslime gesprochen wird. Suren 2, Vers 191, Vers 193, Vers 216, Sure 4, Vers 74, 76, Vers 84, Vers 89 usw. .

     

    Interessant ist noch folgendes. Der Koran sieht vor, dass Christen und Juden, mit weniger Rechten zwar, aber doch in der Umma, der muslimischen Gemeinschaft, geduldet werden.

    Buddhisten und Hindus aber nicht.

     

    Herr Kurdi, bitte sehen Sie doch mal hinein in dieses Buch!

  • A
    AbsurdIstLogisch

    Eine Freundin hat mir gerade den Link zu diesem Artikel geschickt, und ich möchte mich ganz herzlich dafür bedanken. Selten kommt es vor, dass Tageszeitungen derartig überflüssigem Geschreibsel Platz einräumen. Selbst Berichte vom Treffen der Kaninchenzüchter sprühen dagegen von Charme und Informationsgehalt.

     

    Als sanfter Hinweis an den Autor: Sie weisen, je nach Perspektive sicherlich zurecht, darauf hin, dass es absurd sei, aus Binsenweisheiten eine Religion zu basteln. Das ist ebenso absurd, wie die Weisheiten, auf denen andere Religionen fußen. Wenn jemand glauben mag, dass Krebs auf schlechtem Karma beruht, so ist das ebenso in Ordnung, wie wenn jemand an unbefleckte Empfängnis oder die Unfehlbarkeit irgendwelcher Bücher glauben mag. So lange er niemanden damit belästigt und dieser Glaube ihm Kraft gibt, ist das toll!

     

    Auch Ihre Polemik ist an sich eine wunderbare Sache. Ein bisschen provozieren hier, ein bisschen überzeichnen dort. Aber man kann das doch weitaus gehaltvoller machen, als Sie das hier hin bekommen haben. Außerdem sollten Sie die Ironie ein bisschen mehr hervorheben, sonst glaubt man am Ende, Sie meinen das ernst.

  • W
    WieWär´sMalMitDenken?

    Schade eigentlich, dass in unserer aufgeklärten Zeit voller Information kaum einer die leiseste Ahnung hat, mit was für Ausdrücken er / sie herrumschleudern.

     

     

    MfG

  • R
    Rumpelstilzchen

    Himmel, denkt an euren Blutdruck!

  • GM
    Gretchen Meier

    Ihren Ärger über solche pseudoweisheitsvollen Aussagen kann ich ganz gut nachvollziehen. Dennoch möchte ich mal behaupten, dass weder derjenige, der solch eine pauschale Aussage macht, dass eine Krebskrankheit auf das Karma zurückzuführen sei, noch Sie selbst sich wirklich mit dem Begriff Karma auseinandergesetzt haben. Zumindest ist das in Ihrem Artikel nicht erkennbar. Er sagt eigentlich nur aus, dass Sie nichts davon halten, mehr nicht. Dafür haben Sie sich allerdings sehr viel Mühe gegeben, das zum Ausdruck zu bringen. 1-2 Sätze hätten das wohl auch getan.