die wahrheit: Das Geheimnis des Mysteriums
Erstmals in einer Werkschau präsentiert: die Spielfilme von Selma Lagerlöff.
Viele kennen Selma Lagerlöff als Autorin altkluger Kinderbücher. Oder über ehemals gute Freunde, die ihre Kinder Nils, Martin oder Akka von Kebnekajse genannt haben. Wenig wusste man dagegen über Lagerlöffs Filmwerk. Jetzt präsentiert der Filmclub "Skandinavisches Kino" aus Berchtesgaden erstmals eine Werkschau der schwedischen Künstlerin. Die Wahrheit stellt vorab die wichtigsten Filme vor.
Ihren ersten Filmerfolg erzielte Selma Lagerlöff schon mit 17 Jahren, als sie 1969 das Roadmovie "Pack die Badehose ein" der erstaunten Öffentlichkeit präsentierte. In ihm machen sich die beiden Freunde Sture und Hans, nachdem sie sich ihr Geld durch Platzreservierungen und Fahrplanberechnungen redlich verdient haben, mit ihren Rädern auf den Weg von Göteborg zur Mittsommernacht nach Malmö. Während sie im Laufe ihrer Reise immer wieder freundlichen und weltoffenen Menschen begegnen, erweisen sich die beiden Helden bald als rechthaberische und ausgesprochen spießige Gesellen, die in überteuerten Hotels nächtigen, regelmäßig Urlaubspostkarten schreiben und ständig "Was ist der Unterschied zwischen "-Witze erzählen. Zur Strafe erkranken beide an Krätze und Räude, sie haben Ausschlag in Form von sich übergebenden Elchen und entwickeln die Angewohnheit, in Restaurants zu laut zu reden. Zum Schluss verenden die beiden jämmerlich, als sie sich in dem Dorf Hellerup weigern, eine funktionsgestörte rote Ampel trotz Erlaubnis des ortsansässigen Polizisten zu überschreiten. Ihr Traum, in Malmö ein Geschäft für Hutschachteln zu eröffnen und ein wertvoller Bestandteil der Gesellschaft zu werden, ist damit ausgeträumt.
Nach diesem Anfangserfolg entstanden in rascher Folge weitere Filme. Zunächst der Agententhriller "Du kannst nicht immer 17 sein" (1972), die Geschichte einer Spionin, die aus Pflichtgefühl von ihrem Liebhaber gedrängt wird, mit dem Feind zu schlafen und ihm das Rezept für Köttbullar zu entlocken, was ihr nach einer gemeinsamen Nacht in einem Möbelhaus auch gelingt. Danach folgte der Horrorfilm "Deine Spuren im Sand" (1977), in dem eine Gruppe Ameisen eine Kleinstadt in Angst und Schrecken versetzt, als sie bei einer Tupperware-Party durch den Kamin in ein Haus eindringt und gegen alle Widerstände das Gemüse für Demonstrationszwecke entwendet.
Nach einer längeren Schaffenspause folgte 1981 die Weltraumsaga "Ein Schiff wird kommen". In ihr wird gezeigt, wie es zwischen der Besatzung eines Raumschiffes und ihrem Bordcomputer zu einer Diskussion darüber kommt, ob Lebewesen nur diejenigen Naturkörper sind, die Nukleinsäure und Proteine besitzen und imstande sind, solche Moleküle zu synthetisieren, oder ob dazu auch eine einfache 5-Volt-Batterie und ein gepflegtes Ersatzteillager genügen. Als Chefcommander Brown gerade einwenden will, dass Individualität auf der Konstanz identischer Erbinformationen beruht, wird das Raumschiff von einem schwarzen Monolithen getroffen und zerstört. Zurück bleibt einzig eine Gegensprechanlage, die anschließend Professor für vergleichende Physik an der Universität in Houston wird.
Einen Skandal löste der Film "Wenn die Connie mit dem Peter" (1985) aus, die Geschichte einer erotischen Obsession zwischen dem Küchenmädchen Connie und dem angehenden Bäckermeister Peter. Ihre Leidenschaft steigert sich schließlich während eines sonntäglichen Tanztees in einen unaufhörlichen sexuellen Akt, auf dessen Höhepunkt Connie ihren Peter symbolhaft mit einer Portion Apfelstrudel und Sahne erstickt. Aus Zensurgründen durfte der Film nur in hell erleuchteten Kinosälen gezeigt werden, das Bild auf der Leinwand erschien nur unscharf. "Das war natürlich Gift für den Suspense!", klagte Lagerlöff später, als sie von diesen Ereignissen unterrichtet wurde.
Ihre Enttäuschung verarbeitete sie in ihrem Nachfolgewerk "Karamba, Karacho, ein Whiskey" (1991), in dem ein verzweifelter Regisseur sich nach einigen Misserfolgen ausgelaugt an einen Kurort zurückzieht. In eine schwere Krise gerät er, als eine Supermarktangestellte sich weigert, ihm Zahnpasta in Tagesrationen zu verkaufen und den einzelnen Portionen Namen zu geben. Während sich der Regisseur an einer Neufassung des Musicals "Hello Dolly" versucht, wird die Supermarktverkäuferin in die Spielzeugabteilung des Armeekrankenhauses Möldrup versetzt, wo sie kleine Fallschirme flicken muss, während im Hintergrund die Musik von Huey Lewis and the News läuft. Der Film endet mit einer Erklärung des Zahnärztekulturverbandes Esbjerg, der entschieden dagegen protestiert, dass Lagerlöff mit ihren Werken dem Mysterium des Lebens die letzten Geheimnisse raubt.
Mit dem Alter trat Selma Lagerlöff selbst in ihren Filmen auf, zunächst nur in einzelnen Szenen, dann übernahm sie erst kleinere, dann größere und schließlich die Hauptrollen. Als sie in dem Ehedrama "Zwei kleine Italiener" (1995) auch noch anfing, einen Mann auf einem Balkon, eine Rasierklinge sowie zwei tote Esel in einem Konzertflügel zu spielen, verlor das Publikum die Geduld mit ihr.
Selma Lagerlöff wollte immer, aber vor allem in ihrem Spätwerk auf die Kommunikationsschwierigkeiten in der postmodernen Gesellschaft hinweisen. Zuletzt verstummte sie endgültig.
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