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die wahrheitEine warme Mahlzeit für die Wahrheit

Es war wie Klassentreffen. Die Wahrheit wurde am Wochenende volljährig...

So jung kommt die Wahrheit-Familie nicht oft zusammen. Bild: Britta Leupold

Es war wie Klassentreffen. Die Wahrheit wurde am Wochenende volljährig, und das wurde am Freitagabend mit einem großen Fressen im Berliner Restaurant Kleisther gefeiert, während die Rest-taz an anderem Ort auch irgendetwas feierte.

50 Wahrheitautoren und Zeichner ©TOM , der von seiner hundert Meter entfernten Wohnung die kürzeste Anreise hatte, waren dem Lockruf einer kostenlosen warmen Mahlzeit gefolgt. Oder waren es die Freigetränke? Das Putengeschnetzelte wurde mit Rücksicht auf das Alter der Gäste und mögliche Blutdruckprobleme salzarm gereicht - in rauchfreiem Ambiente, sodass sich vor dem Restaurant Rauchertrauben bildeten. Der Rauchpilz über dem Kleisther wies den Spätankömmlingen und Ortsunkundigen von Weitem den Weg. Schon beim Vorspeiseteller mit Buletten, Kochschinken im Teigmantel und Speckröllchen bildeten sich Interessengruppen. In der Ecke, gleich neben dem Büffet, kamen ©TOM und der gesamte vierköpfige Oktober-Verlag zusammen, bei dem soeben die Anthologie "Sternstunden der Wahrheit" erschienen ist.

©TOM brachte die Sprache geschickt auf sein Lieblingsthema, motorisierte Fahrzeuge. Tom van Endert vom Oktober-Verlag entpuppte sich als Anhänger russischer Motorräder, vor allem der "Ural". Das sei doch die Maschine, die alle drei Kilometer stehen blieb und auseinandergeschraubt werden musste, höhnte ©TOM , während er mit der einen Hand Witzbildchen zeichnete und mit der anderen Bier trank.

Biker in ihren Ganzkörperkondomen haben alle irgendeine Macke. Mein Freund Stephan fährt eine uralte Honda Goldwing, von der das Markenschild längst abgefault ist. Da er Schildermacher ist, bastelte er sich ein neues, professionell aussehendes Schild: "Lottermann." Als er eines Tages aus einer Bikerkneipe kam, war seine Maschine von anderen Bikern umringt. "Ick kenne mir aus mit Motorrädern", sagte einer. "Aba von Lottermann habe ick noch nie wat jehört."

Könne er auch nicht, entgegnete Stephan. Die Lottermann sei Hitlers Geheimwaffe gewesen. Sie sollte als Drohne, also als unbemanntes Motorrad, gegen die Sowjetarmee eingesetzt werden. Es gab aber nur einen Prototypen, und den habe er, Stephan, 1945 unter den Trümmern von Berlin geborgen und wiederhergerichtet.

Doch zurück zum Wahrheitessen: Nach der Roten Grütze gab es die Bescherung. Jeder bekam eine braune taz-Papiertüte mit eine Handvoll taz-Brownies, einem Witzbildchenheft von ©TOM , einem Exemplar der "Sternstunden der Wahrheit" sowie einem Trikot der deutschen Fußballnationalmannschaft von 1954 oder einem Hemd der englischen Elf von 1966. Letztere wurden sogleich entsorgt. Wer will schon in einem Schummeltorteamhemd herumlaufen? Dann verteilte die Kellnerin Aschenbecher im Nichtrauchersaal. Und plötzlich war es wie Weihnachten.

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