die wahrheit: Stöhn, ächz, seufz
Schweinegrippe im Selbstversuch – Jetzt hat es einen auch erwischt.
Es … dauert … ewig … einen … einfachen … Satz … hinzuschreiben … Punkt. Endlich! Geschafft! Die Großbuchstaben fallen besonders schwer, man muss zwei Tasten gleichzeitig drücken. Was ist das bloß? Schweinegrippe? Dann hat es einen also jetzt auch erwischt - wie Cherie Blair und die Sugarbabes. Aber das kann eigentlich gar nicht sein. Wo sollte man sich angesteckt haben? Im Büro? In der U-Bahn? Im Urlaub? Dabei heißt es immer, es beginnt mit einem eigentümlichen Kratzen im Hals. Doch da ist nichts. Kein Fieber, kein Kratzen, kein Schwein. Und doch ist man eindeutig krank. Aber gibt es das? Schweinegrippe ohne Schweinegrippe? Eine Grippe ohne Grippesymptome? Man ist krank, aber ist auch wieder nicht krank?
Es fing alles damit an, dass der Alkohol nicht mehr schmeckte. Ein äußerst besorgniserregendes und untrügliches Zeichen, dass man irgendeine Krankheit ausbrütet. Normalerweise setzen dann gleich ein paar handelsübliche Symptome ein: Kopf- und Gliederschmerzen, Niesen und Bauchgrimmen. Man ist schlappmannsdörfer, und jede Lust verlässt den Körper. So ist es auch diesmal - bis auf die Tatsache, dass man keine Kopf- und Gliederschmerzen hat, nicht niest und der Magen auch nicht recht streiken will. Nur schlapp und lustlos ist man sowieso. Der ganze Tag ist ein einziges Seufzen, Stöhnen und Ächzen.
Gibt es eigentlich Pseudoschweinegrippe? Man weiß ja, dass manche Menschen auf den Beipackzetteln von Medikamenten nur die Nebenwirkungen lesen müssen, um sofort Verwirrtheitszustände, Schwellungen im Gesicht oder feinschlägiges Fingerzittern zu bekommen. Ja, genau das ist es: feinschlägiges Fingerzittern! Deshalb fällt es auch so schwer, den Text in die Tastatur zu tippen. Das ist eindeutig eine Nebenwirkung der Pseudoschweinegrippe.
Selbst wenn man nicht an der echten Schweinegrippe leidet, gelten für jeden Erkrankten trotzdem die Folgen der Epidemie, wie sie in den dauernden Panikmeldungen auf allen Kanälen zu besichtigen sind: Jeder, der hustet, wird aus dem Flugzeug geholt, und ganze Schulklassen werden bei Fieber aus Bussen gezogen. Dann gibt es demnächst sicher eine allgemeine Ausgangssperre. Sobald man sich in seinen eigenen vier Wänden auch nur die Nase putzt, eilen die amtlichen Weißkittel zum Kranken nach Hause, stoßen ihm ein Fieberthermometer rektal hinein und jubeln: "Wir haben das Schwein!"
Ist man plötzlich ins Lager der Hypochonder gewechselt? So überempfindsam, dass man nicht mehr krank werden muss, um krank zu sein? Dabei hat man doch alle Heimsuchungen moderner Medienseuchen in den vergangenen Jahren problemlos überstanden: Rinderwahn, Vogelgrippe und Dieter Bohlen. Vielleicht sollte man doch mal zum Arzt gehen. Aber welchen Wunderheiler sucht man bei Pseudoschweinegrippe auf? Einen Psychiater? Oder doch den Tierarzt?
Es … fällt … immer … schwerer … einen … vollständigen … Satz … zu … schreiben. Umso leichter kommen einem plötzlich Zwangswortspiele wie "Grippenspiele" oder "Schweinesystemgrippe" in den Kopf. Wäre man nicht so schlapp, könnte man das in einem Text zum Thema Nummer eins dieses Sommers verwerten. Aber natürlich! Das ist es! Das ist die Erklärung: die Krankheit kann nur einen Namen haben: Arbeit. Und schuld ist wahrscheinlich mal wieder das Wetter. MICHAEL RINGEL
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