die wahrheit: Köpft den Kalauerkönig!
Linke Slogans erobern immer mehr die Konsumwelt. Im vergangenen Jahr brachte die Billigfluglinie Germanwings zwei neue Werbepostkarten auf den Markt...
...Darauf war Karl Marx abgebildet, in Badehose, mit Plauze und Schwimmring. Daneben stand: "Oktober-Revolution - Manager-Komfort zum Klassenkampf-Preis". Der Subtext war aber eher der: "Jetzt noch reaktionärer! Mit ollen Marx-Mätzchen und abgegrabbeltem Revolutions-Vokabular."
Denn revolutionär angehauchte Slogans sind in Deutschland bekannt. Was hat es da nicht schon alles gegeben: "Jede Revolution beginnt mit einem Auflauf" von Pfanni, "Revolutionärer Nassrasierer mit Micro-Power" von Gillette, "Protest, support and act" von Diesel, "Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht jedermann leisten kann (Karl Marx)" von Sixt, "Widerstand zwecklos" von Jacobs Cappuccino Specials, "Ein Manifest gegen die Gewöhnlichkeit" von BMW, "Anschlag auf den Einheitsgeschmack!" von Karo Tabak, "Die Roten kommen" von Camel Full Flavour, "Diese Quelle verdient den roten Stern" von Gerolsteiner - und, und, und …
Doch was Großagenturen wie Jung von Matt oder Scholz & Friends wochenlang im Kollektiv ausbrüten, lässt sich auch in Heimarbeit in ein paar ruhigen Minütchen hinsudeln. Man muss nur mal ein paar klassische linke Zitate durchforsten, den Konzernen auf den Leib schneidern und die Resultate an selbige weiterverkaufen - selbstverständlich für fünf- bis sechsstellige Summen.
Der Claim "Krieg den Palästen, Friede dem Hüttenkäse" würde vermutlich dem Käseriesen Gervais gefallen. "Auferstanden aus Rosinen" wäre doch was für den Dresdner Christstollen. An die Arbeiter aller Länder könnte sich auch der Schneekettenhersteller Pewag wenden, mit der Marx-Engels-Parodie: "Ihr habt nichts zu verlieren außer euren Schneeketten".
"Gemeinsames, einheitliches Ziel ist die Säuberung der Erde von allem Ungeziefer" - das rief nicht nur Lenin, sondern lässt sich auch dem Pflanzenschutzmittelgiganten Bayer AG trefflich in den Mund legen. Mit "Die Dickmacher des Proletariats", statt der "Diktatur", könnte sogar McDonalds einmal Selbstironie demonstrieren.
Und erst die zahllosen linken Demosprüche: "Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam-Traumreisen!", statt "Vietnams", wie es Che Guevara rief - das wäre doch was für Tui. Und warum immer nur den nordvietnamesischen Revolutionär Ho Chi Minh preisen: Warum in einem Werbespot nicht lautstark "Ho Ho Ho Chi-Napfanne von Knorr" skandieren.
"Enteignet Springer & Jacoby!" wäre ein klasse Wahlspruch für den alten Erzfeind Scholz & Friends. Und Oma muss nicht nur den Vietkong unterstützen: Mit "Oma, runter vom Balkon, kauf ein Schweinemedaillon!" könnte Bofrost die ein oder andere Neukundin rekrutieren. "Bullen, Bonzen, Banken - alle müssen tanken", anstatt immer nur zu "wanken": das würde Shell prima stehen. "Nie, nie, nie wieder Deutschländerwürstchen!", statt "Deutschland!", mundet vermutlich Tierschützern.
Mit dem Attac-Klassiker "Eine andere Welt ist möglich" könnte die Axel Springer AG endlich einmal Reformwillen kommunizieren. Und selbst "Kampf dem braunen Sumpf - Revolutionäre Nasszellen von Dixi" würde garantiert seinen Abnehmer finden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen