die wahrheit: Skandal im Turm
Asiatische Wettsyndikate setzen Hightechkugeln und Maulwurffeen ein, um das deutsche Lotto zu manipulieren.
Wer in den vergangenen Wochen die eigenen Lottoscheine einmal mit den gezogenen Zahlen verglichen hat, staunte meist nicht schlecht: Weder stimmten die Gewinnreihen mit den getippten überein noch ließen sie sich mit Zufall oder Unberechenbarkeit erklären. Zu deutlich sprangen jedem routinierten Falschtipper die Seltsamkeiten der Zahlenkolonnen entgegen. So wurde die 24 in den Sonnabendausspielungen der 41. bis zur 43. Woche dreimal hintereinander gezogen. Und in den letzten elf Ziehungen tauchte die 8 nicht weniger als fünfmal als Superzahl auf, welche für das Knacken des Jackpots nötig ist. Dass sich die 24 aus der Summe dreier 8en bildet, kommt da nicht überraschend.
Ausgerechnet die 8! War denn nicht vor Monaten schon etwas anderes mit dieser ominösen Zahl? Genau: Die chinesischen Organisatoren hatten den Beginn der Olympischen Spiele von Peking gezielt auf den 8. 8. 08 terminiert, um mit dem vielversprechendsten der chinesischen Glückssymbole einen erfolgreichen Verlauf der Spiele zu gewährleisten.
Und da muss man nicht einmal 8 und 8 zusammenzählen, um zu ahnen, was im wahrsten Wortsinn auf dem Spiel steht: Die grundsätzlich von südostasiatischen Zockerhöhlen aus operierenden Wettsyndikate haben sich vor einigen Wochen erfolgreich in den deutschen Lottomarkt eingeschlichen und bestimmen seitdem von hoch oben über Frankfurt die Ergebnisse des Samstagslottos. So erklärt sich nicht zuletzt auch die Verlegung der Ziehung vom Vorabend hin in das Spätprogramm mit teilweise unvorhersehbaren Sendezeiten. So kann man in Singapur, Malaysia und Hongkong ganz bequem noch länger und unverschämter in den Lauf der rollenden Kugeln eingreifen.
À propos Kugeln! Es war natürlich kein Zufall, dass Ende August die "42" aus der Lottotrommel fiel und von Franziska Reichenbacher, der sogenannten Lottofee, "unglücklich" zertreten wurde. Denn nur so konnte man beim Intendanten die Neubestellung eines kompletten Zahlensatzes von 1 bis 49 rechtfertigen, welcher natürlich zum Billigpreis aus dem Mutterland des Pingpongs, China, kam. Mit den präparierten Austauschbällchen, die so ziemlich alles an Senderhightech enthalten, was in eine kleine Kugel passt, können seitdem alle Reihen gezogen werden, die den fernöstlichen Wettpaten genehm sind.
In diesem Zusammenhang taucht auch immer wieder der berüchtigte Name "Chen" auf. Und wer etwas über den familiären Hintergrund der stets unschuldig bis konfuzianisch lächelnden Lottofee weiß, muss wieder nur 2 und 2 zusammenzählen, um die Entwirrung der Zusammenhänge vor Augen zu haben. "Reichenbacher" heißt die Dame nur fürs Publikum, um mit dem Versprechen, Reichtum zu verbreiten, dem Prekariat des Landes auch noch den letzten Wettcent abzupressen. Dabei lautete ihr Mädchenname verräterischerweise noch "Reibacher" - bis sie diesem dann schlicht und vernebelnd den Namen ihres chinesischen Freiers Chen einverleibte. Hoch über den verschwiegenen Dächern Frankfurts gehen also Dinge vor sich, die noch vor dreißig Jahren drunten im Studio zwei des Hessischen Rundfunks im Beisein eines lebenden Ziehungsbeamten undenkbar gewesen wären. Dieser jedoch fiel den Stellenkürzungsplänen im deutschen Lottoblock ebenso zum Opfer wie der Rückgriff auf die Mithilfe bewährter Aushilfskräfte des Hessischen Rundfunks, die seinerzeit persönlich den Wachdienst vorm Ziehungsstudio übernahmen, solange das rote Licht am Eingang leuchtete. Reno Nonsens vom "Blauen Bock" oder Martin Jente vom großen Samstagabendquiz "Einer wird gewinnen" ließen es sich selten nehmen, ungebetene Zaungäste, die einmal live bei Glück dabei sein wollten, mit gezielten Haken zu Boden zu strecken.
Man darf also gespannt sein, wie die Lottogesellschaften mit dem neuerlichen Wettskandal umgehen werden. Das Austauschen der Lottobällchen wäre wohl der erste Schritt, langfristig wird man aber auch um neue Zahlen nicht herumkommen. Klugen Mathematikern sollte es gelingen, auch jenseits der 49 bisher unbekannte Ziffern zu entdecken, auf die es sich wieder lohnen würde frei von allem Manipulationsverdacht zu setzen. Und als Strafe für die Drahtzieher bietet sich die alte Ziehungstrommel an - nämlich als Unterbringungszelle, zumindest für die Zeit der Untersuchungshaft.
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