die wahrheit: Die edle Jägerin
Vorgelassen zur Audienz bei der Allerkatholischsten Majestät, Ihrer schönen Lieblichkeit, Stephanie zu Guttenberg.
Adelige, dass sind doch heutzutage auch Menschen wie du und ich, denke ich, während ich mich in den Staub werfe. Ich kann nicht anders, meine Untertanengene wollen Tribut zollen, außerdem hat mich der Majordomus, ein vier- bis fünfschrötiger Klops, welcher auf den sonderlichen Namen "Henckel" hört, mit einem beherzten Schwung seines armdicken Stammbaums von den Füßen gefegt.
"Wie aufmerksam, wer kennt denn heute noch den schönen Brauch der Proskynese?", freut sich die verschmitzte "Märchenprinzessin" (Bild), als ich mich robbend zu ihren Füßen vorgearbeitet habe, welche anmutig und zierlich auf einer Mondsichel ruhen. "Tradition ist ja nicht, die Asche zu bewahren, sondern das Feuer weiterzugeben", spricht sie mit glockenklanggleicher Stimme, und eine Zofe niederen Adels, die zu ihren Füßen sitzt, notiert diese geschliffene Sentenz.
Ich bin vorgelassen zur Audienz bei der Allerkatholischsten Majestät, Ihrer Lieblichkeit, Stephanie zu Guttenberg, Gräfin von Bismarck-Schönhausen, Gemahlin des Bundesministers KT Franz Ferdinand Theophrastus Bombastus, Verteidiger des Glaubens am Hindukusch, King of Kings, Lord Segelbewahrer, Conquering Lion of the Tribe of Judah, Licht seines Volkes, Jah Rastafari zu Guttenberg. So jedenfalls lautet die korrekte Anrede der sportlichen Mittdreißigerin bei Anlässen des privaten Rahmens, etwa wenn eines der beiden Töchterlein des Nachts um ein Glas Milch anheischig werden möchte. "Ich bin eine moderne Konservative", erklärt die so Angesprochene mild lächelnd und sagt, dass sie selbst wenig Wert auf Etikette lege. "Ich bin nämlich eine moderne …" - "…Konservative", vollende ich das treffliche Bonmot und die Baronin nickt huldvoll. So viel Esprit hätte sie einem Gewöhnlichen wohl kaum zugetraut.
Sie bietet mir ihren Ring zum Kuss und gewährt mir das seltene Privileg, unser Interview knieend fortführen zu dürfen. Als ich es endlich wage, den Kopf zu heben, muss ich weinen. Vor ergriffener Rührung und weil die Gloriole um das Haupt der Stephanie so blendet. Die Edle bittet ihren Henckel das Ding herunterzudimmen. Ich küsse ein letztes Mal den Saum ihres Gewandes, dann reicht mir der grimmige Majordomus ein Säcklein mit fein ausgestanzten Antworten, die ich nach Gutdünken auch investigativsten und kritischsten Fragen zuordnen könne, und beendet das Interview mit einem herzlichen Fußtritt.
Ein blinder Rüstmeister nähert sich. Er schickt sich an, seiner Herrin beim Anlegen ihrer schimmernden Wehr behilflich zu sein. In ihrer kargen Freizeit gehe sie auf die Jagd, erzählt die Baronin freimütig, während sie angekleidet wird und dabei doch Zeit findet, ausgelassen mit ihren Domestiken zu scherzen, die geneckt von den Bolzen ihrer Armbrust bald hierhin, bald dorthin springen.
"Auf die Jagd nach dem Fasan, dem Leu oder gar nach dem mächtigen Fuchs?", frage ich naiv. "Ich jage Pädokriminelle", donnert die hohe Dame mit ernster Miene. "Im Fernsehen." Heiliger Schauer jagt mir über den Rücken. Potztausend! Das ist eben die andere, die kriegerische Seite der "schönen Ministergattin" (Bild), der "tabulosen Blondine" (auch Bild, aber über die Lady auf dem Bild daneben). Eben noch focht sie siegreich einen Kreuzzug wider die laxe Sexualmoral der niederen Stände, schon wirft sie sich einer anderen Geißel des Abendlandes entgegen. "Ministerfrau, Mutter, Autorin - wie macht sie das?", ist man versucht, jener allerbesten Hälfte von "Deutschlands Power-Paar Nummer 1" (Bild) zweifelnd zuzurufen. Doch solch kecke Unverfrorenheit verbietet sich im Umgang mit "Deutschlands heimlicher First Lady" (ebd.). Man ist ja keine Pöbelzeitung, man ist ja bloß ein Wurm.
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