die wahrheit: Binomisch Reisen
Relaunch. Die Deutsche Bahn plant für 2011 spannende Themenzüge.
Die Deutsche Bahn will im nächsten Jahr ein Relaunch ihres Angebotes starten. So ist geplant, mehr auf die individuellen Interessen und Bedürfnisse der Reisenden einzugehen, wie Dr. Hubert Strasser, der Leiter der Marketingabteilung der Deutschen Bahn am Freitag auf einer Pressekonferenz in Berlin mitteilte. Zu diesem Zweck sollen ab April 2011 Themenzüge im deutschen Schienennetz unterwegs sein.
"Wir befinden uns mit einem kompetenten Kompetenzteam noch in der Planungsphase", so Strasser, "Doch ich kann jetzt schon sagen, dass unsere ersten Brainstormings bereits überaus erfolgreich waren."
So stieß im Kompetenzteam beispielsweise die Idee auf große Begeisterung, einen Themenzug "Mathematik" einzurichten. "Das müssen Sie sich dann so vorstellen", erklärt Strasser, und seine Wangen nehmen dabei vor Aufregung eine rötlich leuchtende Farbe an: "dass die Waggons bei diesem Zug nicht mehr einfach durchnummeriert sind, sondern dass der mathematikbegeistere Reisegast sich seinen Wagen erst errechnen muss."
Nach Strassers Vorstellungen wird dann auf den Reservierungen nicht mehr schlicht und einfach "Wagen 7, Platz 35 stehen", sondern: "Wenn der Wert der Ankathete 32 beträgt, der Wert der Hypotenuse 32,757, der Winkel 12,339 Grad hat, die Werte von Sinus bei 0,214, von Cosinus bei 0,977 und Tangens bei 0,219 liegen, dann zeigt der Wert der Gegenkathete die Nummer ihres gebuchten Wagens. Die Nummer ihres Sitzplatzes ergibt sich aus den Elementen der Primfaktorzerlegung der Zahl 15." Streitigkeiten um Platzreservierungen könnten ganz neue Formen annehmen: "Verzeihung, darf ich Ihre Reservierung einmal sehen? Ach, Sie befinden sich im falschen Wagen, Sie müssen in Wagen Wurzel aus 36."
Strasser klatscht vor Entzücken begeistert in die Hände. Er hört schon vor seinem geistigen Ohr die Durchsage: "Werte Fahrgäste, unser binomisches Restaurant befindet sich im Speisewagen mit der Radix Quadratwurzel aus 64. Heute servieren wir Ihnen Speisen, die nach den Binomischen Formeln des internationalen Starkochs Adam Algebra zubereitet werden."
Aber Strassers Vorstellungen gehen noch weiter. Ihm schwebt auch ein Themenzug für Freunde der Esoterik vor: "Stellen sie sich nur einmal vor, was uns das für Möglichkeiten aufzeigt! Verbilligte Partnertickets für Dualseelen und Seelenzwillinge zum Beispiel! Das Bahnmagazin könnte Themen wie ,Halschakra-Blockade - was mache ich dagegen?' behandeln. An verschiedenen Bahnhöfen könnten mobile Medien zusteigen, die den Gästen auf Wunsch gegen ein geringes Entgelt Kontakt zu Verstorbenen herstellen oder sie wahlweise in ein vergangenes Leben zurückführen."
Kleine Schweißperlen bilden sich auf Strassers Stirn, als er sich weiter in Rage redet: "Das Bahnpersonal sollte sich auf allen Vieren an der Decke des Zuges bewegen, und auf den Toiletten könnten wir Poltergeister platzieren. Als Ticket-Kontrolleure sollten Mottenmänner fungieren - wobei das eher in das Themengebiet ,Kryptozoologie' fällt …"
Strasser lacht etwas verlegen: "Wie gesagt, wir befinden uns ja erst in der Planungsphase, aber Sie sehen, meine Damen und Herren Pressevertreter, wir haben viele gute Ideen, wie wir demnächst ein Stück weit optimaler als bisher auf unsere Gäste eingehen können."
Besonders liebäugelt er mit einem Zug für Science-Fiction-Anhänger. "Denen könnten wir dann jede längere Verspätung einfach als Zeitreise, also als eine Art Extraservice verkaufen, haha, haha!", lacht er beifallheischend in die Runde.
Für Strasser sind auch Themenzüge für Weltverschwörungstheoretiker, Katholiken, Windelfreunde, Standard- und Lateintänzer, Diktatoren und Studenten denkbar. Wobei man sich den Themenzug für die Studenten gar nicht so genau vorstellen mag.
"Ach", antwortet Dr. Hubert Strasser auf einen dahingehend vorgebrachten Einwand, "der wird auch nicht viel dreckiger oder lauter sein, als jeder gewöhnliche Zug, der von einer stinknormalen siebenköpfigen Großfamilie heimgesucht wird."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen