die wahrheit: Da lacht der Ägypter
Neues aus der Witzforschung: Von Papyri, Pharaonen und Potentaten.
Unter Präsident Gamal Abdel Nasser gab es noch eine eigene Geheimdienstabteilung für regimekritische Witze. Unter Mubarak waren dann nur noch Witze über ihn verboten, Karikaturen dagegen erlaubt. Zusammen mit den ägyptischen Filmkomödien sorgten sie "für Lacher im gesamten arabischen Raum," wie das "Österreichisch-Arabische Informationsforum" weiß.
Der ägyptische Schriftsteller Khaled al-Khamissi, dessen Buch "Im Taxi: Unterwegs in Kairo" kürzlich auf Deutsch erschien, hat Ende Januar für Die Welt einige seiner Lieblingswitze aufgeschrieben, einer geht so: "Warum demonstrieren die jungen Leute in Tunesien auf der Straße? Haben sie kein Facebook?"
Dazu schrieb der Autor: "Die Tatsache, dass das ägyptische Volk Tausende von Jahren unter tyrannischer Herrschaft litt, führte dazu, dass die Ägypter die Kunst des Witzes schufen und weiterentwickelten, bis sie geradezu zum offiziellen Sprecher des ägyptischen Volkes wurde." Sein Lieblingswitz lautet: "Die ägyptische Regierung gab der Fluggesellschaft den Befehl, ihre Luftflotte in höchster Einsatzbereitschaft zu halten, für den Fall, dass das ägyptische Volk schnellstens ausreisen wolle, mit der Destination, die es wünsche."
Auf der Internetseite "geschichtsforum.de" wollte es daraufhin ein "Gast" genauer wissen: "Gibt es altägyptische Witze, oder wurden die nicht schriftlich fixiert?" Darauf antworteten die Redaktionsägyptologen: "Es gibt wohl einige Zoten, entweder auf Papyri oder später vom Griechen Herodot überliefert. Eine davon erzählt ein derbes Studentengedicht nach ('Ramses, der Ägypterkönig hatte einst des Geldes wenig …'), das hier nicht verlinkt hingehört, weil hier im Forum auch Jugendliche sind." Ein anderer Altertumsforscher ergänzte: "Zurückhaltend waren die Ägypter allerdings nicht gerade, nicht einmal hinsichtlich der Pharaonen. Da ist sogar eine Kritzelei erhalten, die Ramses II. in seinem Harem explizit bei einschlägigen Aktivitäten zeigt."
Aus den letzten Wochen der Mubarak-Herrschaft stammt dieser Witz: "'Wir sind nicht Syrien, wo der Sohn des Präsidenten automatisch Nachfolger wird', sagt Mubarak. ,Wir sind eine Demokratie. Bei uns kann man wählen. Ich habe nämlich zwei Söhne.'"
Das nicht gerade für seine Witzischkeit berühmte Handelsblatt titelte: "Ägypter sind wahre Humorexperten", fügte dann noch hinzu: "Im Schatten der Pyramiden wird viel gelacht", und erwähnte dann eine Karikatur aus der regierungsnahen Kairoer Tageszeitung Al-Akhbar aus der Zeit der amerikanischen Luftangriffe auf Afghanistan, als die USA gleichzeitig Bomben und Lebensmittelpakete abwarfen: Ein abgemagerter bärtigen Taliban-Kämpfer sitzt auf einem Hügel und hält einen Hamburger in der Hand. Mit grimmigem Blick schaut er zum Himmel und ruft: "Und wo bleibt das Ketchup, ihr ungläubigen Hundesöhne?"
Als der Vizepräsident Omar Suliman im ägyptischen Staatsfernsehen endlich den Rücktritt Mubaraks verkündete, stand die ganze Zeit ein streng blickender Mann hinter ihm: "Seitdem explodieren die Witze über die Identität und die Funktion des Mannes, der offensichtlich sicherstellen sollte, das Suliman diesmal die richtigen und ausgemachten Worte ausspricht", berichtete der taz-Kairo-Korrespondent Karim El-Gawhary. Einer dieser Witze ging so: "Alle fragen mich, was ich machen will, wenn ich erwachsen bin. Mein Vater sagt, du solltest Ingenieur werden, meine Mutter hofft, dass ich Künstler werde, mein Onkel schlägt Lehrer oder Verkäufer vor. Aber ich bin kein Feigling. Ich fürchte mich nicht vor Spider- oder Superman. Ich will kein Ingenieur oder Verkäufer sein, ich möchte so werden wie der Mann hinter Omar Suliman." Dabei handelte es sich im Übrigen um den Kommandeur der ägyptischen Special Forces: Hussein Scharif.
Der ebenfalls nicht gerade für seinen Humor bekannte Redakteur der Zeit Jörg Lau stellte seinen "Lieblingswitz der ägyptische Revolte" ins Netz: "Treffen sich Nasser, Saddat und Mubarak im Himmel. Fragen die beiden Älteren den Neuen: Gift oder Kugeln? Sagt Mubarak: Facebook." Nicht nur Jörg Lau hat sich wie so viele andere deutsche Ägyptentouristen von der "uralten Witztradition am Nil" (ZDF) anstecken lassen. Auf "LinkFun.net" findet sich zum Beispiel dieser: "Mantafahrer in Ägypten. Auf einer Nilbrücke überschlägt er sich. Fahrer und Wagen landen im Fluss. Als die Krokodile auf ihn zukommen, meint der Mantafahrer: "Ey, goil: Rettungsboote von Lacoste, boah!"
Auch der ägyptische Twitterwitz des US-Textilherstellers Kenneth Cole ging nach hinten los: Er textete: "Millionen sind in Aufruhr in Kairo. Das Gerücht geht um, sie hörten, dass unsere neue Frühjahrskollektion online verfügbar ist." Daraufhin brach ein Sturm der Entrüstung aus, viele schworen, nie wieder Cole-Klamotten zu kaufen, und noch mehr ließen sich Twitter-Parodien dazu einfallen, so dass die Marke binnen weniger Stunden zu einer Lachnummer wurde, wie Die Welt in ihren Berichten aus Ägypten meldete.
Ein anderer Westwitz - die sogenannte "dänische Mohammed-Karikatur" - löste zwar in Arabien kein Gelächter aus, aber die Empörung über diese "Gotteslästerung" geriet quasi zur Generalprobe der jetzigen "Arabischen Revolution". In Kairo, Bagdad und Jakarta fanden zum Teil blutige Massendemonstrationen statt. Der Spiegel berichtete damals im Jahr 2006: "Kairo, Damaskus, Riad, Sanaa, Tripolis und all die anderen arabischen Regime können nur hoffen, dass sich die angestaute Wut des kleinen Mannes, welche er nun so lautstark gegen das kleine Dänemark äußert, nicht bald gegen sie selbst richtet." Genau das passiert nun: "Da lacht der Vordere Orient / Da lacht der Hintere Orient …", wie es in einem berühmten deutschen Lied heißt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz