die wahrheit: Knall- und Sprengköpfe
Deutsche Atompolitiker: Durch die hohen Sicherheitsstandards ist eine Gefährdung der Bevölkerung vollkommen ausgeschlossen.
Augen und Ohren des Globus sind dieser Tage auf Japan gerichtet, wo mehrere Atomkraftwerke hopszugehen drohen. Überall in Asien, Amerika und Europa schwingt die bange Frage mit, ob der radioaktive Fallout das ganze Universum in Mitleidenschaft ziehen wird und ob ein ähnlicher Unglücksfall im eigenen Haus geschehen kann.
In Deutschland besteht allerdings keinerlei Grund zur Sorge. "Alle unsere Politiker sind sicher!", erklärte gestern Regierungssprecher Steffen Seibert und verwies darauf, dass aufgrund der hohen deutschen Sicherheitsstandards es in über 50 Jahren weder in einer Bundesregierung noch im Bundestag zu einer Havarie wie in Harrisburg, Tschernobyl oder Fukushima gekommen sei.
Nach Ansicht des Deutschen Atomforums kann sich hierzulande ein vergleichbarer Störfall schon deshalb nicht ereignen, weil die deutschen Politiker erdbebensicher errichtet wurden und selbst bei einem Flugzeugabsturz durch ihr dickes Fell ausreichend geschützt sind. Zwar habe es in der Vergangenheit das eine oder andere Leck gegeben, so dass einzelne Parteien durch über der zulässigen Dosis liegende Emissionen ganze Wählerschichten kontaminiert hätten. Die Sicherheitsvorkehrungen, betonte Prof. Werner Kracks vom Atomforum, würden jedoch kontinuierlich erhöht und dem modernen Stand der Technik angepasst.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus beispielsweise werde derzeit mit einem mehrere Meter dicken Betonmantel umhüllt, um die schädliche Strahlung einzudämmen. Bundesumweltminister Norbert Röttgen, dessen Betriebssicherheit seit der schwarz-gelben Regierungsübernahme immer wieder für Diskussionsstoff sorgte, sei heruntergefahren worden, und sowohl Hessens Umweltministerin Lucia Puttrich als auch der bayerische Umweltminister Markus Söder seien vom Netz genommen worden.
Das Restrisiko ist überschaubar, lautet die beruhigende Auskunft der Reaktorsicherheitskommission, zumal zahlreiche veraltete Politiker schon vor längerer Zeit abgeschaltet wurden. Von Helmut Kohl, Helmut Schmidt und den seit vielen Jahren stillgelegten Ministern für Forschung und Technologie Hans Matthöfer und Heinz Riesenhuber gehe daher keine akute Bedrohung für die Bevölkerung mehr aus. Ganz im Gegenteil, wie das Beispiel Helmut Schmidt zeige: In seinem früheren Leben als Bundeskanzler hatte er Kritiker mit dem Satz abgeschmettert, wer gegen die sauberen Atomkraftwerke sei, solle mal im Kohlekraftwerk arbeiten. Jetzt sitze der Altkanzler bereits im Flugzeug nach Fukushima, gab der Sprecher der Kommission Dipl.-Ing. Reiner Bums bekannt.
Trotz solch positiver Meldungen gibt es noch genügend Handlungsbedarf, um die deutschen Politiker zukunftssicher zu machen, worauf das Öko-Institut insistiert. Das Bundeskabinett ebenso wie sämtliche Länderregierungen müssten jährlich gewartet und vor allem der Reaktorblock in CDU/CSU und FDP dringend einem Sicherheitstest unterzogen werden. Insbesondere vom Typ des Siedewasserpolitikers gehe auch in Zukunft große Gefahr für die Bevölkerung aus. Die Schweißnähte an den Druckbehältern im Politikerinneren seien eine bekannte Schwachstelle in der Union, Ermüdungsbrüche an den Rohrleitungen im Kühlsystem der Liberalen zu befürchten und ein massiver Austritt von Radioaktivität aus dem Regierungslager nie auszuschließen. Radioaktivität aber schädige, anders als die Internationale Atomaufsichtsbehörde IAEA behaupte, schon in kleinen Dosen die Menschen und, was den meisten Politikern nicht klar sei, auch sie selbst.
Die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit wies das als Panikmache zurück. Ausdrücklich hob sie in einer Pressekonferenz heute Morgen hervor, dass selbst Volker Kauder, der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, der in der aktuellen Diskussion gefährlich zu überhitzen gedroht habe, mittlerweile unter Kontrolle sei. Gerüchte, bei Angela Merkel habe bereits die Kernschmelze begonnen, träfen ebenso wenig zu. Zwar habe eine Explosion ihr Dach weggesprengt. Doch werde Spreewasser zur Kühlung ihres glühenden Reaktorkerns eingeleitet, das ihre Brennstäbe inzwischen bis zum Hals bedecke, und die Kanzlerin bewahre nach wie vor einen kühlen Kopf.
Der Vorsitzende der Gesellschaft für Reaktorsicherheit, Dr. Knall, gab daher vor den versammelten Kameras und Mikrofonen seiner Hoffnung Ausdruck, dass Angela Merkel, die für eine Betriebszeit bis 2013 ausgelegt ist, bis zuletzt am Netz bleibt und sogar ihre Laufzeitverlängerung durchsetzen kann. Auf das dann von Jahr zu Jahr größer werdende Problem der Entsorgung und Endlagerung radioaktiver Politiker ging er nicht ein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern