die wahrheit: Eiserne Ü-Eier
Nach dem Ende der Wehrpflicht bereitet die Bundeswehr ihren Nachwuchskräften einige fantastische Überraschungen ...
Kevin kriecht keuchend aus einem schmalen Erdtunnel im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet und klopft sich den Sand aus der Uniform. Als Erstes säubert er nach dem Einsatz sein Waffenarsenal, vom Nahkampfmesser bis zum Sturmgewehr, erst dann kommt seine Zahnspange an die Reihe. Kevin ist erst zwölf Jahre alt - doch mit seinen zahlreichen Einsätzen in dem Höhlensystem von Tora Bora zählt er schon zu den alten Hasen seiner Einheit.
Die "Tabalugas", wie sie von den älteren Soldaten genannt werden, sind die Kinder-Elitetruppe der Bundeswehr. Oberstleutnant Hermann Sachtleben erklärt ihre Bedeutung für den Afghanistan-Einsatz: "Es gibt hier immer öfter Gefechtssituationen, bei denen unsere großgewachsenen Soldaten einfach nicht mehr durchkommen. Denken Sie nur an die engen Tunnelröhren hier, da haben diese Schweinebacken aus Mecklenburg-Vorpommern doch keine Chance. Mit unserer Kindertruppe haben wir da ganz andere Möglichkeiten."
Kevin sieht das genauso. "Heute zum Beispiel kam ich an eine voll krasse Engstelle, da hätten die Älteren nie durchgepasst. Aber ich bin durchgeflutscht und konnte gleich in der nächsten Höhle drei Taliban-Kämpfer erledigen." Für diesen erfolgreichen Einsatz wird Kevin vom Kompaniechef vor versammelter Mannschaft ein Eisernes Überraschungsei verliehen bekommen. Es ist schon das dritte Ü-Ei in seiner Sammlung. Er hofft, bis zum Ende seiner Dienstzeit die ganze zwölfteilige Kollektion vervollständigen zu können.
Anfangs gab es in Deutschland ja durchaus kritische Stimmen zu dem Einsatz von Minderjährigen in Afghanistan, doch mittlerweile hat sich die Aufregung auch an der Heimatfront gelegt. Die Kriegsspiele im Kinderprogramm beim Tag der offenen Tür der Bad Reichenhaller Gebirgsschützen, die Anfang Juni noch zu bissigen Kommentaren im deutschen Blätterwald geführt hatten, werden nun, nach den ersten beeindruckenden Erfolgen im Kampf gegen die Taliban, als geschickte Heranführung schwieriger Jugendlicher an die kämpfende Truppe gesehen. Kevin und seine Kameraden sind Kinder aus prekären Verhältnissen, die hier ihren Dienst am Vaterland verrichten und eine neue Aufgabe fürs Leben finden sollen.
Nach dem Ende der Wehrpflicht braucht die Bundeswehr dringend Nachwuchs, und da kommen solche Erfolgsmeldungen gerade recht. Um weitere Kinderkämpfer für die Truppe zu rekrutieren, hat die Bundeswehr jetzt auch Sommercamps eingerichtet, in denen Kriegsspiel-begeisterte Minderjährige auf den anspruchsvollen Job der Terrorbekämpfung vorbereitet werden sollen. Sport, Spaß, Spannung - dieser Dreiklang ist im Feriencamp Kundus sicher gewährleistet. Oder wie Kevin es sagt: "Was zum Naschen, was zum Spielen und was Spannendes."
Während der Sommerferien bekommen die Kleinen einen ersten Einblick ins Kriegsgeschehen und dürfen bei Eignung auch gern mal selbst "Hand anlegen". So wie der 13-jährige Silvio aus Erfurt, der mit seiner Panzerfaust schon erstaunliche Sachen angestellt hat. Zwar ging der erste Schuss noch voll daneben - Silvio jagte mit seinem Volltreffer versehentlich das Offizierscasino der Bundeswehr in die Luft, und das auch noch ausgerechnet in der Mittagspause. Aber schon bei den nächsten Versuchen klappte es schon viel besser. Mittlerweile hat er schon drei vollbeladene Pick-ups der Taliban dem Erdboden gleichgemacht und ist fast schon ein Experte im Antiterrorkampf. Nicht umsonst heißt das Motto der kleinen Krieger: "Unser Talisman ist der Kopf vom Taliban".
Wie alles im Leben geht diese lehrreiche und interessante Zeit für die Kindersoldaten aus Deutschland irgendwann einmal zu Ende. Ende August heißt es die Heimreise anzutreten. Dann steht für die kleinen Racker wieder die Schule auf der Tagesordnung, dann heißt es wieder büffeln, Schulaufgaben schreiben und sich im Unterricht zu Tode langweilen. Oberstleutnant Sachtleben ist sich aber gewiss, dass er die meisten seiner Schützlinge im nächsten Jahr wieder bei der Truppe begrüßen darf. Dann findet das Feriencamp vielleicht schon in Libyen statt.
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