die wahrheit: Da lacht der Anarchist
Neues aus der Witzforschung: Das unkorrekte Verlegerpaar Kramer.
Der Berliner Verleger Bernd Kramer hat es zu einem eigenen "anarchopedia.org"-Eintrag über seine Witze gebracht. Dort werden seine "politisch unkorrektesten" versammelt. Ein Beispiel: "Kommt eine Frau zum Arzt und sagt: ,Herr Doktor, meine Spirale ist im Arsch!' Der Arzt: ,Aber da gehört sie doch gar nicht hin!'"
Und noch ein Kramerwitz: "Ein Chinese kommt in einen Drugstore in L.A. Hinter dem Tresen steht ein Neger. Der Chinese: ,Ein Biel bitte!' Der Neger: ,Das heißt nicht Biel, das heißt Bier!' Der Chinese wieder: ,Ein Biel bitte!' Der Neger: ,Verdammt, das heißt nicht Biel, das heißt: Bierrrr. Also pass mal auf, wir machen das jetzt mal so: Du gehst hinter den Tresen, und ich bin der Kunde.' Sie wechseln die Plätze. Der Neger vor dem Tresen: ,Ein Bier bitte!' Daraufhin der Chinese: ,Negel kliegen hiel kein Biel!'"
Die Betreiber der Webpage haben sich die Mühe gemacht, Kommentare zu Kramers Witzen zu veröffentlichen: "Das ist doch Rassismus, Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit in Reinkultur. Und solch ein Scheiß von jemandem, der seit Jahren einen auf anarchistischen Verleger macht.
Ich habe die Quelle mit angegeben, damit gleich klar ist, dass das keine Behauptung, sondern Fakten sind", schreibt da einer, ein anderer ergänzt: "Das Perverseste, was es in meinen Augen gibt, sind Witze über Minderheiten oder Menschen mit Behinderungen, also über Menschen, die sich nicht wehren können. Wer so was gut findet, ist in meinen Augen zum Abschuss freigegeben."
Das Anarcho-Ehepaar Karin und Bernd Kramer gab von 1968 an linkeck heraus, die "erste antiautoritäre Zeitung". Die linkeck, die sich gegen jedes "rechteck" richtete, war bereits der "politischen Unkorrektheit" verpflichtet und wurde dementsprechend oft beschlagnahmt. "Aber auch", so Bernd Kramer, "liebe Genossen verschiedener Fraktionen übten sich in bigotten Reaktionen, fleißiger Denunziation und riefen zum Kaufboykott auf.
Ein Beispiel dafür, wie kleinbürgerlich ein Teil der Szene war. In linkeck druckten wir einmal einige brave ,Pornos' ab …" - "… die waren so was von liederlich", ergänzt Karin Kramer: "Staatsanwalt treibts - und hat noch Söckchen an!" Bernd Kramer: "Ein Aufschrei: frauenverachtend, menschenunwürdig, eklig. - Nur seltsam: Diese Ausgabe verkaufte sich blendend."
"Noch ein Beispiel für den damaligen Common Sense: irgendein 1. Mai. Auf rotem Grund im weißen Kreis sollte ein Hakenkreuz auf die Titelseite von linkeck. Der schusselige Drucker hatte aber eine Druckplatte falsch eingerichtet, und so landete das schwarze Hakenkreuz nicht im weißen Kreis, sondern darunter. Gefiel uns auch ganz gut."
Karin Kramer: "Wir wollten unser Blatt bei einer Veranstaltung in der Hasenheide, auf der auch Rudi Dutschke, Bernd Rabehl vom SDS und der ,linke' SPD-Mann Harry Ristock sprachen, verkaufen. Tumult. Einige Genossen versuchten uns daran zu hindern. Ziemliches Gerangel. ,Linke verkaufen eine Zeitung mit Hakenkreuz!!!' Die hatten die Ironie gar nicht kapiert: Die Nazis hatten den 1. Mai zum gesetzlichen Feiertag erklärt. Das war unsere politisch-provokative Botschaft."
Auch intern gab es Probleme mit dieser "Botschaft": "Zwei, drei Genossen von der linkeck-Redaktion waren zur Druckerei marschiert und klauten die Hakenkreuz-Druckplatten. Zum Glück hatten wir aber noch die Negativfilme und konnten so einen Nachdruck machen. Die drei haben wir dann rausgeschmissen. Sie gründeten das Blatt CharlieKaputt. Nach drei Ausgaben gabs Charlie nicht mehr. Was uns freute." Wenig später wurden vier der verbliebenen linkeck-Redakteure wegen "Beleidigung und Verbreitung unzüchtiger Schriften" verurteilt, was die Bild-Zeitung zu einer Hetzkampagne gegen das "linke Terrorblatt" motivierte.
"Wir Blattmacher mussten die Staatskasse füttern. Die Geldstrafen - bisweilen 800 D-Mark - stotterten wir, schon allein um die Staatsdiener zu ärgern, in Fünf-, mal in Zehn-Mark-Raten ab." Der der Redaktion aufgedrängte, "überdurchschnittlich emsige Schriftverkehr" mit Polizei- und Gerichtsbehörden hatte jedoch "eine grandiose Erfindung" zur Folge: "Alle Brieftexte unsererseits an diese Dienststellen schrieben wir so eng an den linken Rand, dass ein normales Lochen, geschweige denn ordentliches Abheften in die staatlichen Aktenordner unmöglich war. Die Kommune 1 hat dann unsere ,Erfindung' freudig übernommen."
Das ist nun alles (Anarcho-) Geschichte, "aber Bernd Kramers Wille zum Witzeerzählen, zum ,Herrengedeck' und zur Anarchie ist ungebrochen", schreibt Jochen Knoblauch in einer kurzen Verlagsgeschichte. Und zwar in der Kreuzberger Kneipe "Zum Goldenen Hahn", wo die Kramers sich regelmäßig neue schweinische Witze und andere Sauereien ausdenken. Demnächst erscheint in ihrem Verlag eine ganze Witzsammlung - zum Gebrauch für den "Sprachunterricht ,Deutsch für Ausländer'". Ihr Motto lautet: "Lachend lernen heißt gut lernen", die einzelnen Kapitel heißen: "Der Witz als Tabubrecher", ",Ethnische Witze", "Witze als Täuschungsmanöver" …
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