die wahrheit: Die Teddy-Therapie
Freizeitgeschäfte: Wenn Plüschtiere auf Landpartie gehen.
"Jeden Morgen steht irgendwo in Berlin, Hamburg, München, egal … ein Dummer auf, der nicht weiß, wohin mit seinem Schotter", sagte sich der ländliche Schlaumichel schon immer und dachte sich dann eine weitere Schweinerei aus, die nur einen Zweck hatte: arglose Großstädter um einen Batzen zu erleichtern. War immer so, wird immer so bleiben.
Aber es gibt Ausnahmen. Gudrun S. ist so eine Ausnahme. Eine ehrenwerte Frau und zugleich die Teddybeauftragte des Fremdenverkehrsvereins Papenteich, einer malerischen Region etwas südlich der Lüneburger Heide gelegen. Frau S. hat eine Mission. "Fühlt dein Teddy sich mal wieder richtig schlapp? Hat er keine richtige Lust mehr, mit dir zu spielen? Liegt er nur noch in der Ecke rum? Dann ist es Zeit, dass dein Kuscheltier sich bei uns auf dem Lande so richtig entspannen kann!"
Gudrun S. ist selbst eine vernarrte Teddy-Besitzerin, ihr "kleiner Freund Hubsi ist immer dabei", gibt sie zu. Insofern weiß sie genau, was bei so einem vom Burnout bedrohten großstädtischen Plüschwesen indiziert ist. "Dein kleiner Liebling wird von uns genau so verwöhnt, wie er es von Dir gewohnt ist. Er kann sich bei uns richtig gut erholen in der frischen Luft und schönen Umgebung und wieder Kraft für Dich tanken."
Seit gut einem Jahr organisiert sie nun ihre "Teddy Tour auf dem Lande" und hat sich mit ihrem gesunden und vielseitigen Ferienprogramm in Teddykreisen viele Freunde gemacht. Erst neulich hat ihr eine Teddybesitzerin aus Gotha einen langen begeisterten Brief geschrieben: Nach dem Urlaub sei ihr "Würstl", ein Steiff-Tier der Classic-1909er-Serie, wie ausgewechselt gewesen. Früher habe er sich immer gleich nach der "Tagesschau" verabschiedet, jetzt halte er sogar noch "Menschen bei Maischberger" durch, was nicht mal ihr immer ganz leicht falle.
"Tja, kein Wunder", lacht Frau S. keck, "bei mir gibts Action pur! Da kommt keine Langeweile auf." "Und wie sieht es aus mit Heimweh?", hake ich nach. "Kennen wir hier nicht." Denn sie zeigt den kleinen Pelzträgern, was das Landleben alles Spannendes zu bieten hat. Vor allem die großstädtischen Bären seien ja sehr an der heimischen Flora und Fauna interessiert, weiß die junggebliebene Endvierzigerin.
An besonders schönen Tagen fährt sie mit ihnen zum nahegelegenen Badesee oder organisiert einen lehrreichen Ausflug zum lokalen Hünengrab. Eine entspannte Angelpartie steht ebenso auf dem Programm wie der Besuch eines nervenaufreibenden Fußballpunktspiels der 1. Herren des FSV Adenbüttel Rethen. "In unserer Gruppe geht es gerade ziemlich zur Sache", meint die fußballbegeisterte Teddy-Reiseleiterin, "es ist noch alles drin für den FSV. Da können die kleinen Kerle die großen gleich mal mit anfeuern."
Für die Unterbringung der Vierpfoter in ihrem "eigenen kleinen Reich", einem artgemäßen Bettchen, ist ebenfalls gesorgt. "Mein Freund Hubsi hat bereits das Bett getestet und befand es für sehr kuschelig und gemütlich", lässt sie auf ihrer Webseite vernehmen. Erst neulich hatte sie ein paar Inspekteure des deutschen Hotel- und Gaststättenverbands im Haus. "Die dachten wohl, ich stecke die kleinen Schätzchen in eine Kiste und dann ab mit ihnen in den Keller. Na, denen habe ich aber erst mal was erzählt. So ein Teddy ist doch kein Hund!"
Als ich am Ende unseres netten Gesprächs auf das Monetäre zu sprechen komme, schaut Gudrun S. genant zu Boden. Sie würde es auch umsonst machen, das sieht man ihr an. Aber die Unkosten müssen nun einmal gedeckt sein. Die belaufen sich auf wahrhaft knuddelige 79 Euro pro Woche für den deutschen Teddymaniac, das befreundete Ausland innerhalb der EU ist mit 89 Euro dabei, und die "restliche Welt" zahlt den Superkuschelpreis von nur 109 Euro.
Da kann man nun wirklich nichts sagen. Nur eins noch: "Nachdem Ihr Liebling wieder bei Ihnen eingetroffen ist, nehmen Sie sich bitte sehr viel Zeit - er wird Ihnen viel über die Erlebnisse während der Reise zu erzählen haben."
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