piwik no script img

die wahrheitHeul, flenn, schluchz

Männer entdecken mal wieder ihre tränenreiche Seite.

Wenn Tränen kullern, kommt es dem Mann von heute. Bild: Bildagentur online

Weinende Männer galten lange Zeit als ein Randphänomen. Jetzt aber schlagen junge Frauen Alarm. Die heulenden, kreischenden, flennenden Männer treiben immer mehr Frauen an den Rand des Wahnsinns. Dates müssen abgebrochen werden, weil er mal wieder einen Heulkrampf kriegt; Telefongespräche enden abrupt mit ersticktem Schluchzen; Wochenenden gipfeln in Tränenausbrüchen und enden neuerdings nicht selten in Deutschlands erster Schrei-Ambulanz für Männer in Berlin. Überforderte Frauen können ihren Partner hier vorübergehend abgeben und sich vom anstrengenden Zusammensein erholen.

An den Wänden hängen Aquarelle und das berühmte Gemälde des Norwegers Edvard Munch. Nina, 27, Key Account Managerin in Berlin, hatte sich eigentlich total auf ihr zweites Date mit Hannes, 29, Food Stylist, gefreut. "Pediküre, Waxing, das ganze Programm. Ich wollte gut aussehen und ihn endlich klarmachen." Auf dem Heimweg im Auto passierte es. "Er legte James Blunt ein und weinte nur noch."

In der Ambulanz wird Hannes jetzt mit Frühsport und Musiktherapie behandelt. "Heavy Metal spielt dabei eine wichtige Rolle", erklärt die leitende Ärztin der Notfalleinrichtung. "Viele junge Männer haben einfach verlernt, ihre Aggressionen zuzulassen."

Auch in anderen Städten denkt man inzwischen über die Einrichtung von Schrei-Ambulanzen für Männer nach, denn offensichtlich besteht der Bedarf bundesweit. So musste vergangenes Wochenende eine Kinovorführung in einem Multiplex in Essen abgebrochen werden, nachdem mehrere Besucher während des Films "The Descendants" weinend kollabiert waren. "Wir wussten bereits aus vorherigen Vorführungen, dass die Szene, in der George Clooney herumirrt und den Familienhund sucht, von sensiblen männlichen Zuschauern als emotional sehr aufwühlend empfunden wird", erklärte die Pressesprecherin des Kinobetreibers. In der Spätvorstellung am Samstagabend sei die Lage dann eskaliert. Sechs junge Männer waren unter Heulkrämpfen in ihren Sitzen zusammengebrochen und mussten sofort psychologisch betreut werden, nachdem ihre Begleiterinnen den Notarzt gerufen hatten.

Aber nicht nur das Dating ist von den weinenden Männern betroffen. Auch in manchen Branchen sieht man die jungen Heuler mittlerweile als Problem an. "Dass mal ein paar Tränen kullern, geht in Ordnung", sagte dazu ein Sprecher der Vereinigung Cockpit. "Heftiges Schluchzen beim Landeanflug stellt jedoch ein Sicherheitsrisiko für Pilot und Passagiere dar." Und das nur, weil mal ein Triebwerk nicht sofort zündet. Aus diesem Grund müssten junge Männer inzwischen immer häufiger ihre Pilotenausbildung abbrechen.

Auch die Industrie hat den Trend zum weinenden Mann erkannt und reagiert bereits mit eigenen Produktlinien. Fast schon Kultstatus hat die "Boys Edition" des Papiertaschentuchherstellers Tempo. Auf den Packungen glitzern silberne Tränen wie die Applikationen auf Glanzbildern. Das Unternehmen hat zudem eine Hotline für Betroffene eingerichtet. "Hier kann man sich mal so richtig ausheulen, ohne dass einen die Girls gleich zur Schnecke machen", erzählt Hotline-Mitarbeiter Malte Wundt (27), der auch prompt die Hornbrille absetzt und sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischt: "Oft heulen wir gemeinsam."

Wundt hat seine eigenen Erlebnisse als Hotline-Betreuer in dem Buch "Heul doch, Mann!" aufgeschrieben. Darin gibt er auch Tipps, wie man unerwünschte Tränen in heiklen Situationen wie beim ersten Date oder beim Vorstellungsgespräch vermeiden kann. "Denk an etwas wirklich Lustiges oder kneif dich in die Innenseite deiner Oberschenkel, bis der Weinkrampf vorüber ist."

Mit einem Schuss Selbstironie wird das Thema neuerdings in der Berliner Clubszene behandelt. In-Kneipen wie das "Tränentier" am Maybachufer in Neukölln haben eigene Cry-out-Räume eingerichtet. Schummrige Beleuchtung stimmt die Heulbojen ein, Taschentücher liegen bereit. "Wer weinen muss, kann kurz nach hinten gehen und eine Runde schluchzen", sagt "Tränentier"-Betreiber Niklas Lacrima. Die Nummer der Schrei-Ambulanz liegt dennoch immer neben dem Telefon an der Bar. "Für Notfälle."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

18 Kommentare

 / 
  • N
    Nonne

    Zum Trost gibt es eine Verzehnfachung im Erbschaftsrecht bei Schwulen. Alles Templer, oder was ?

  • CD
    Christie Dylan

    @Horsti "Die einzige Konstante: Die weibliche Unzufriedenheit..."

     

    Übrigens kulturübergreifend wie Studien festgestellt haben.

     

    Wenn man Frauen mit einem oder zwei Worten beschreiben müsste, so wäre es "meckernd" oder "meckerndes Geschlecht".

  • M
    Michel

    Da fällt mir doch ein berühmter Spruch vom ollen Johnny Wolle ein:

     

    Herr, die Noth ist groß,

    Die ich rief die Geister

    Werd ich nun nicht los.

    (Frei nach Goethe: Der Zauberlehrling)

     

    Ihr versteht schon, Mädels :)

  • P
    Pupsi

    Da sieht man doch, wo uns die rotgrüne Ideologie der 68er hingebracht hat: Nachdem der deutsche Volkskörper kollabiert ist, kollabiert nun auch der deutsche Mann!

     

    Während die Männer bei James Blunt ihre Gefühle erkunden, anstatt mit Marschmusik zur Ehre des Vaterlandes ins Feld zu ziehen, besuchen die Frauen Managerkurse oder können gar Pilot werden! Zwar verdienen sie immerhin weniger, aber dass so ewtas überhaupt erlaubt ist -

     

    Die Welt ist auf den Kopf gestellt und daran ist auch die taz schuld! Man kann nur hoffen, dass die Ewiggestrigen -wo bleiben Thilo Sarrazin und Erika Steinbach?- etwas dagegen unternehmen und die alte Ordnung wieder herstellen! Alte Männer braucht das Land!

     

    Früher hätt's sowas nicht gegeben!

  • M
    Michel

    Mesdames kommen mit weinenden Männern nicht klar? Heult doch :-P

  • H
    Horsti

    Die einzige Konstante: Die weibliche Unzufriedenheit...

  • C
    Cremeschnitte

    Zur feminitischen Emanzipation, dem damit zusammenhängenden Unglücklichsein und der Egomanie zeitgeistiger Damen gehört dann aber auch das emotionale Hartsein und eigene Souveränität! Also bitte die heutigen ideologischen marionettenhaften Damen künftig im Alltag einfach mal "die Fresse halten", nicht jeden Mann mit den eigenen femininen nichtssagenden Blödheiten und Nebensächlichkeiten belästigen und Probleme wie ein/e e-Mann-zipierte Frau schlucken!

     

    Die Alternative wäre: endlich mal wieder ganzheitlich Frau sein, anstatt erfolglos zu versuchen, behaarter Mann zu werden!

  • HO
    Hold or fold

    Hallo Frau Craner,

     

    mit Verlaub, von welchen Steuergeldern sprechen Sie denn? Das klingt geradezu nach trivial-amerikanischer Rhetorik. Bringen Sie am Besten noch den Begriff der Job-Schaffenden ein, damit alle um die Wichtigkeit und Brisanz Ihres Kommentars wissen.

     

    Vielleicht haben Sie selbst das nächste Mal den Schneid, um Ihrem Erfahrungsbericht treu zu bleiben, sich nicht einfach als "emotionaler Abfalleimer" zu offerieren. Wissen Sie, man kann auch einfach "Nein" sagen. Das soll so manches Mal wahre Wunder gewirkt haben, um sich unliebsamer Situationen entziehen zu können.

     

    Vielleicht ist es Ihnen aber lieber zu Klagen und Ihr Leid mit der Leserschaft zu teilen? Hach, und nun ist es mir ein Vergnügen, den Begriff des Egoismus einzubringen.

     

    Cheers!

  • NC
    Nicole Craner

    Respekt, Frau Kreby, endlich traut sich mal jemand, die Wahrheit zu sagen! Weiter so! Es wird höchste zeit, dass jemand etwas gegen diesen Heulsusen-Wahnsinn in unserem Land unternimmt. Vorallem müssen endlich mal die Millionen an Steuergelder für diese unsinnigen Schrei-Ambulanzen begrenzt, bzw. gänzlich gestoppt werden. An immer mehr Ecken (in Bars, in Kinos, auf Partys) trifft man auf diese egoistischen Heulsusen. Aus eigenem Erleben kann ich berichten, dass ich auf einer Party meiner besten Freundin unfreiwillig regelrecht von einem dieser Typen als emotionaler Abfalleimer missbraucht worden bin. Der Abend war natürlich gelaufen und am nächsten Morgen gings mir immer noch schlecht. Ich hab' von diesen Schlaffies jedenfalls genug! Wenn Frau mal eine Schulter zum Anlehnen braucht, rennen die Kerle gleich zurück in ihre Hüpfburgen. Das ist doch nicht mehr normal!!

  • K
    kaheins

    is ja zum heulen der bericht ...maenner sind aus eisen und eisen kann nich weinen ...basta

  • E
    Emma

    Ich kann nicht nachvollziehen warum menschliche Nöte derart ins Lächerliche gezogen werden. Was ist die Intention solcher Artikel? Neben Polarisierung fällt mir nur noch ein, Probleme zu verharmlosen und ad absurdum zu führen. Die taz scheint sich nun darauf zu spezialisieren. In diesem Sinne habe ich noch einige Vorschläge. Man könnte zum Beispiel noch ein paar witzige Artikel schreiben über die 4 mal höhere Selbstmordrate dieser Heulsusen oder über Sucht und Alkoholkranke die sich lieber gnadenlos abschießen statt Gefühle und Probleme zu thematisieren, diese Flaschen.

     

    Der Mann hat genau so ein Recht seine Gefühle zu äußern wie die Frau und die Notwendigkeit dies zu tun ist im hinblick auf die psychosoziale Gesundheit sogar noch höher. Doch Ihr wird der Mann als Heulsuse und Weichei diskriminiert und seine Probleme gleichzeitig ins lächerliche gezogen. Da muss man sich als Frau schämen. Echt abartig

  • L
    Leser

    Der Artikel wirkt so übertrieben, dass es sich dabei um eine Zeitungsente handeln muss.

     

    In jedem Fall trägt dieser Artikel meiner Meinung nach zum Verfestigen alter Rollenbilder bei, da hauptsächlich negativ besetzte Wörter benutzt werden. Des weiteren wird der Eindruck geweckt, dass es sich um ein Massenphänomen handelt.

     

    Die Botschaft scheint klar: Weinende Männer sind nicht erwünscht, sind keine Männer und selbst an ihrer Lage schuld.

     

    Schade... ich hätte zumindest eine Analyse der Gründe für dieses angebliche Massenphänomen erwartet.

  • N
    NormalBürger

    "Wenn Tränen kullern, kommt es dem Mann von heute. "

     

    Frau Kreby, könnten Sie sich vorstellen, dass ein Kommentar wie Ihrer, mit umgekehrten Geschlechter Konstellation in einer deutschen Zeitung ohne rechtliche Nachwirkungen erscheinen würde?

     

    Ihr Versuch alles männliche lacherlich zu machen läuft leider ins Leere. Längst hat der Abstieg der femistischen Propaganda ihren Lauf begonnen. Ich wünsche von ganzem Herzen einen lautlosen Abgang.

  • HO
    Hold or fold

    Obwohl ich, Asche auf mein Haupt, schon ein wenig über die "cry-out-Räume" schmunzeln musste, stehe ich dem Thema an sich, mit Ambivalenz gegenüber.

     

    Sollen sich Menschen jetzt vorschreiben lassen, was sie fühlen sollen, nur um sich in längst aufgeweichte und potentiell unglücklich machende Rollenbilder einzuzwängen?

     

    Außerdem finde ich die angelegte Scheuklappen-Perspektive sowohl amüsant und gleichsam abstoßend. Menschen über ein einziges Merkmal zu definieren, ist so alt wie die Menschheit, hat allerdings noch nie sehr gut funktioniert.

     

    Wer in dieserlei Kategorien denkt, muss eben in Kauf nehmen einen Partner zu suchen, der die Tassen an der selben Stelle im Schrank hat ... oder eben nicht.

     

    Cheers!

  • W
    Wasert

    Wo ist mein Kommentar? Hat ihn die libertäre taz wegzensiert?

  • C
    cryboycry

    nach jahren der diktierten gefühlsunterdrückung vermutlich eine erlösung.

  • W
    Wasert

    Die taz ist ja nicht erst seit gestern DAS Kampfblatt für politisch verordnetes Gender Mainstreaming der EU-Bürokratie.

     

    http://le-bohemien.net/2012/01/17/von-der-frauenemanzipation-zur-frauenprivilegierung/

     

    Heul, flenn, schluchz.

  • M
    Martin

    Was die Autorin übersieht, es handelt sich hierbei nicht um eine Veränderung des Mannes, sondern um eine teuflische Spiegelung der Gesellschaft. Die Männerschaft hat sich entschlossen, der Frau mal den Spiegel vorzuhalten um ihr zu zeigen, wie anstrengend sie ist.

     

    Nächster Punkt auf dem Aktionsplan: Monatliche emotionale Schwankungen. :)