die stimme der kritik: Betr.: Unsere Schule soll schöner werden
Ich will bestraft werden
„ ‚Das Böse‘ lässt sich nicht ausrotten, weil es nämlich im Menschen selbst liegt“, weiß die studierte Oecotrophologin und Hamburger Journalistin Sylvia Schneider. In ihrem neuen Jugendbuch „Gewalt – nicht an unserer Schule“ gibt sie darum praktische Tipps im Umgang mit einer der unangenehmsten Grundkonstanten des menschlichen Daseins.
Es ist ja immer schön, wenn junge Menschen etwas auf die Beine stellen, noch schöner ist es allerdings, wenn ihnen erfahrene Erwachsene wie Sylvia Schneider dabei hilfreich zur Seite stehen: Dass Wichtigste sei, so die Autorin, dass die Jugendlichen selbst aktiv würden und an ihren Schulen offensiv eine Politik der Nulltoleranz durchsetzten. Bildet Anti-Gewalt-Gruppen, sagt Sylvia Schneider und fordert eine „Schüler-Task-Force“, die sich um die bekanntlich „meistens asozialen Gewalttäter“ kümmert. Praktisch: Neben den Aufgaben der Exekutive kann diese Schüler-Task-Force auch die Aufgaben der ansonsten gegenüber jugendlichen Tätern ja immer viel zu milden Judikative übernehmen. Nach den ausgezeichneten Erfahrungen an amerikanischen Schulen sollen jetzt auch an deutschen Erziehungsanstalten mit Schülern besetzte „Sühnegerichte“ eingerichtet werden: „Tatsache ist, dass die meisten Schüler wollen, dass Grenzüberschreitungen und Tätlichkeiten bestraft werden.“
Unsere Schule soll schöner werden: Sylvia Schneiders Buch hat gute Chancen, zur Bibel einer neuen Bewegung zu werden, die sich in der kommenden Woche zu einer ersten Massenkundgebung in Köln versammeln wird. Unter dem in seiner Einfachheit bestechenden Motto „Gewalt gegen Schulen“ findet auf dem Platz vor dem Dom ein Aktionstag statt, der in einem Gratiskonzert der engagierten amerikanischen Rockband R.E.M. münden soll. Allerdings kam es bei der Anreise zu diesem und anderen Europa-Terminen der Band zu einem kleinen Zwischenfall an Bord des Flugzeuges. R.E.M.-Gitarrist Peter Buck wurde gegen zwei Besatzungsmitglieder gewalttätig und darum nach der Landung in London verhaftet. „Er will bestraft werden, aber er will von uns bestraft werden“, sagte Sänger Michael Stipe nach Aussagen von gewöhnlich gut informierten Beobachtern. Trotzdem widersetzten sich die britischen Behörden dem Vorschlag, Buck einem bandinternen Sühnegericht zu überlassen. Er wurde einem Haftrichter vorgeführt und gegen eine Kaution von 30.000 Pfund auf freien Fuß gesetzt.
KOLJA MENSING
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