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die sache istCarolinen-Figuren geben zu denken

Mit 800 goldenen Dänen-Königinnen en miniature wird der Bildhauer Ottmar Hörl den Celler Schlosspark bevölkern

Figur: Ottmar Hörl/Foto: Michael Hofmann

Eine Auferstehung in Gold – und das gleich 800fach: Vor dem Celler Residenzschloss tummeln sich massenhaft Gartenzwerg-große Figuren der dänischen Königin Caroline Mathilde. Der Anlass: Sie ist hier vor 250 Jahren gestorben. In goldener Farbe reflektieren die Mini-Statuen hoffentlich auch ihre allzu kurze Geschichte.

Caroline Mathilde wird 1766 im Alter von 15 Jahren ungefragt an den dänischen König Christian VII. verheiratet. Der ebenso junge König ist psychisch labil. Er liebt statt Caroline eine Prostituierte. Das Verhältnis des Königspaares ist denkbar schlecht. Caroline stört, wie unbedeutend ihre Rolle am Hof in Dänemark ist. Als Johann Friedrich Struensee aus Altona zunächst Reise-, dann Leibarzt des Königs wird, beginnt sie mit ihm eine Affäre. Christian VII. hat da kein Problem: Er hat ja seine Stiefeletten-Kathrine, der Arzt tut seinem Gesundheitszustand gut und so entspannt sich auch das Verhältnis des Königspaares. Die Affäre beginnt Caroline womöglich nicht nur aus Langeweile und Lust. Schon ihr Biograf ­Lascelles Wraxall hatte 1864 eine Strategie Carolines vermutet, ihre eigenen, nicht zuletzt geopolitischen Vorstellungen – etwa mit Blick auf die Russlandpolitik – zu verfolgen. Als Vertrauter des Königs und Minister mit Vollmacht hatte Struensee Handlungsoptionen, die Caroline am rückständigen dänischen Hof verwehrt wurden.

Struensee selbst ist ein entschiedener Vertreter der Aufklärung. Knapp 16 Monate regiert er quasi im Alleingang: Sein Wirken wird als Revolution von oben charakterisiert. Er schafft die Folter ab, führt Presse- und Meinungsfreiheit ein und beschneidet Privilegien des Adels. Der antwortet, unterstützt von Königsmutter Juliane Marie, mit einer Desinformationskampagne. Sie beendet Struensees Karriere – und die Ehe. Denn die Affäre zwischen Caroline und dem Arzt dient als Aufhänger. Auf Flugblättern werden die zwei durch meist sexistische Spottbilder verhöhnt, in Hetzschriften diffamiert. Schon vor Struensees Hinrichtung zirkulieren Stiche, die seine öffentliche Enthauptung zeigen. Caroline wird von Christian geschieden. Sie flieht ins Ausland, nach Celle.

An die tödliche Intrige erinnert eine Ausstellung im Residenzmuseum, also in dem Schloss, in dem Caroline ihre letzten Jahre verbrachte. „Es war ein selbstgewähltes Exil. Sie ist nicht das klassische Opfer“, hatte Museumsdirektorin Juliane Schmieglitz-Otten zur Vernissage gesagt. In Niedersachsen lebt die entthronte Königin gerade mal drei Jahre, bis sie sich vermutlich mit Scharlach ansteckt und mit 23 Jahren stirbt.

Die Celler liebten die junge Königin zu ihrer Lebzeit. Die Stadt erlangte durch sie wieder königlichen Glanz. Zugleich sollen alle Menschen, egal welchen Standes, an ihrem Hof willkommen gewesen sein. Die Lüneburger Ritterschaft setzte ihr gleich nach dem Tod ein Denkmal aus weißem Marmor im Französischen Garten, den sie wohl geliebt hat. Es zeigt sie auf Wolken schwebend und mit Lorbeerkranz und Palmenzweigen: Sinnbilder für Tugend und Ruhm.

250 Jahre später kommen jetzt Hunderte Carolinen-Plastiken dazu. Nach Richard Wagner in Bayreuth, Beethoven in Bonn oder einem Hitlergruß-Gartenzwerg, hat sich der Konzeptkünstler Ottmar Hörl nun der Caroline Mathilde gewidmet. Die Statuen der Serie zeigen sie mit Fächer und im Kleid. Dabei trug Caroline Mathilde als eine der wenigen Frauen ihrer Zeit einen Degen und mitunter Hosen. Dieses mehr als nur modische, selbstbewusste Statement hat die Schmähbildproduktion des 18. Jahrhunderts weidlich ausgeschlachtet.

Caroline Mathilde Skulpturenprojekt Ottmar Hörl, Vorplatz des Celler Schlosses, 16. 8. bis 14. 9.; Sonderausstellung Residenzmuseum, bis 12. 10.

Im Oval des Schlossvorplatzes werden ab Samstag die Zwerginnen aufgereiht stehen: als eine Carolinen-Armee oder eine Art Carolinen-Demo? Das müssen sich die Besucher im Celler Schlosspark schon selbst überlegen. Amelie Müller

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