piwik no script img

die nachrichtTödliche Attentate auf Hochzeitsfeier und Moschee

Am Wochenende erschütterten mehrere Anschläge Afghanistan und Pakistan.Dutzende Menschen wurden getötet. In Afghanistan bekannte sich der IS zu der Tat

Das Neue

Gerade war das islamische Opferfest zumindest für die Einwohner Kabuls friedlich zu Ende gegangen, da sprengte sich dort in der Nacht von Freitag zu Samstag ein Selbstmordattentäter bei einer Hochzeitsfeier von Schiiten in die Luft. Er tötete mindestens 69 Menschen und verletzte weitere 185. Im Männerbereich des „Stadt-Dubai“-Hochzeitspalastes sei kaum jemand unverletzt geblieben, teilte ein Augenzeuge mit. In Afghanistan müssen sich Hochzeitsfeiern unter dem Druck der Mullahs entlang von Gendergrenzen teilen. Auch viele Kinder und Frauen wurden schwer getroffen. „Meine Familie, meine Braut stehen unter Schock. Ich habe meinen Bruder verloren, meine Freunde, meine Verwandten. Ich werde nie wieder Glück in meinem Leben erleben“, sagte der Bräutigam laut BBC. Inzwischen bekannte sich der „Islamische Staat“ (IS) zu dem Anschlag.

Bereits am Freitag gab es einen schweren Anschlag in Pakistan. Bei der Detonation einer Zeitbombe in der Moschee der Khair-ul-Madaris-Koranschule in der Kleinstadt Kutschlak bei Quetta kamen nach Polizeiangaben fünf Menschen um, 26 wurden verletzt. Unter den Toten ist Imam Hafiz Ahmadullah, jüngerer Bruder des afghanischen Talibanchefs Hebatullah Achunsada. Er hatte in dieser Funktion Hebatullah abgelöst, als der 2016 an die Spitze der Taliban kam. Einige Beobachter vermuten allerdings, der Anschlag habe Hebatullah selbst gegolten. Die Koranschule gilt als wichtiger Taliban-Treffpunkt.

Der Kontext

In Afghanistan finden seit Jahren mehrere Kriege gleichzeitig statt. In einem davon versucht ein örtlicher IS-Ableger einen bewaffneten Konflikt zwischen der schiitischen Minderheit und den Mehrheitssunniten zu provozieren, in dem er die Schiiten immer wieder mit Großanschlägen zum Zurückschlagen animiert – von einer gewissen Selbstbewaffnung abgesehen bisher erfolglos. In diese Vorgehensweise passt der Anschlag.

Gleichzeitig verhandeln die USA mit den Taliban einen Friedensschluss im afghanischen Hauptkonflikt. Allerdings stocken die Verhandlungen derzeit.

Deshalb ist der Kutschlak-Anschlag als politisch deutlich brisanter einzustufen. Dahinter könnten Friedensgegner stecken, die die Taliban zum Abbruch der Gespräche provozieren wollen. 2016 wurde Hebatullahs Vorgänger bei einem US-Drohnenanschlag getötet. Dieser hatte ebenfalls Friedensgespräche befürwortet.

Die Reaktionen

In Kabul herrschte nach der Tat Entsetzen. „Vor zwei Stunden habe ich getweetet, dass Kabuler Nächte wunderbar sind. Jetzt tweete ich, dass sie tödlich und blutig sind“, schrieb der afghanische Reporter Scharif Hassan. Afghanistans Präsident Aschraf Ghani bezeichnete die Tat als „barbarische Attacke“, Regierungschef Abdullah Abdullah sprach von einem „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

Die Taliban distanzierten sich von der Tat. Im Islam gebe es „keine Begründung für solches absichtliches und brutales Töten“. Nach dem Anschlag in Kutschlak erklärten sie, „wenn jemand denkt, der Märtyrertod unserer Anführer würde uns stoppen, unser Ziel zu erreichen, träumt er“. Man sei diesem Ziel sehr nahe.

Die Konsequenz

Über den sinnlosen Tod vieler Menschen hinaus haben beide Anschläge bisher keine politischen Folgen erzielt. Bleibt zu hoffen, dass die Afghanen heute den 100. Jahrestag der Unabhängigkeit ihres Landes friedlich begehen können.

Thomas Ruttig

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen