die nachricht: Italien macht die Häfen noch ein bisschen dichter
Zwei Schiffe mit insgesamt rund 450 Geflüchteten dürfen keine italienischen Häfen anlaufen. Sie gehören nicht zu privaten NGOs, sondern sind in staatlichem Auftrag unterwegs
Das Neue
Seit Samstag versagt Italiens Regierung zwei Schiffen mit 450 Flüchtlingen an Bord die Einfahrt in italienische Häfen. Dies hatte Innenminister Matteo Salvini, der zugleich Chef der rechtspopulistischen Lega ist, in den letzten Wochen zwar schon gegenüber NGO-Schiffen zu seiner Linie gemacht. Diesmal aber trifft der Bannstrahl der Regierungskoalition aus Fünf Sternen und Lega zwei Schiffe, die im Staatsauftrag unterwegs sind, die „Monte Sperone“ der italienischen Finanzpolizei sowie die „Protector“ der britischen Marine, die für Frontex in der Straße von Sizilien im Einsatz ist.
Die Schiffe hatten am Samstagmorgen die Flüchtlinge von einem Holzboot übernommen, das von Libyen aus in See gestochen war. Innenminister Salvini hatte zuvor Malta aufgefordert, sich um die Übernahme der Flüchtlinge zu kümmern, sich aber von dort eine Absage geholt. Jetzt soll der „Monte Sperone“ und der „Protector“ erst dann die Einfahrt in einen sizilianischen Hafen gewährt werden, wenn sich auch andere EU-Staaten zur Aufnahme der Flüchtlinge bereit erklären. Nur acht Frauen und Kinder wurden wegen gesundheitlicher Probleme nach Lampedusa gebracht.
Der Kontext
Die seit Anfang Juni amtierende neue Regierung der Antisystemparteien Lega Nord und Movimento5Stelle steht für eine Politik der „geschlossenen Häfen“. Es müsse Schluss sein mit dem „Schlendrian“, verkündet Salvini, auch wenn bis zum 13. Juli in diesem Jahr gerade einmal 17.000 Menschen über See nach Italien gekommen sind. Salvini verfolgt das Ziel, die Überfahrten von Libyen komplett zu stoppen. Bis es so weit ist, will er genauso wie Ministerpräsident Giuseppe Conte eine Lastenteilung innerhalb der EU durchsetzen. In einem Brief an die anderen europäischen Regierungschefs vom Samstag verlangte Conte, einen Teil der etwa 450 Personen zu übernehmen.
Die Reaktionen
Silvio Berlusconi, Chef der Forza Italia, erklärte zwar, eine „entschlossene Linie in der Flüchtlingspolitik“ sei durchaus geboten, zugleich gelte es aber auch, „die Humanität nicht aus den Augen zu verlieren“. Maurizio Martina, Vorsitzender des gemäßigt linken Partito Democratico, warf Conte und Salvini vor, „Italien in Europa zu isolieren“. Am Samstag erklärten sich jedoch die Regierungen Frankreichs und Maltas zur Aufnahme von je 50 Flüchtlingen bereit, am Sonntag machte die Bundesregierung eine gleiche Zusage. Ein hartes Nein dagegen kam von Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babiš, der behauptete, die Umverteilung von Flüchtlingen sei „der Weg zur Hölle“.
Die Konsequenz
Die unmittelbaren, negativen Konsequenzen haben die Flüchtlinge zu tragen, die nunmehr seit Tagen auf offenem Meer unter der Julisonne ausharren müssen. Rundum positiv fällt dagegen die Bilanz für Salvini aus, der die Hürde für Flüchtlinge wieder ein Stück höher gelegt und zugleich anderen europäischen Staaten Zugeständnisse bei der Flüchtlingsaufnahme abgetrotzt hat. Michael Braun, Rom
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen