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die nachrichtKampf für Glyphosat:EU-Kommission gibt nicht auf

Bei einer Abstimmung der Mitgliedstaaten gibt es keine genügende Mehrheit für oder gegen eine neue Zulassung des Pestizids. Wenn das so bleibt, darf die Behörde allein entscheiden

Das Neue

Die Europäische Kommission treibt ihren Plan voran, das unter Krebsverdacht stehende Pestizid Glyphosat für weitere 5 Jahre und ohne Ausstiegsdatum zuzulassen. Am Donnerstag ließ sie Vertreter der EU-Staaten erstmals offiziell über den Vorschlag abstimmen. Dort bekam sie zwar nicht die erforderliche Mehrheit von mindestens 16 Ländern mit 65 Prozent der EU-Bevölkerung zusammen: Nur 14 Staaten mit 37 Prozent der Bürger votierten mit Ja. Da es aber lediglich 9 Neinstimmen gab, will die Kommission nun bis Ende November einen Berufungsausschuss der Länder anrufen. Sollte dort wie erwartet wieder keine ausreichende Mehrheit dafür oder dagegen zustande kommen, könnte die Behörde Glyphosat im Alleingang wieder zu lassen. Die aktuelle Erlaubnis läuft am 15. Dezember aus.

Die Kontext

Glyphosat ist der meistverkaufte Pestizidwirkstoff. Im März 2015 stufte ihn die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC) als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Die Wissenschaftler beriefen sich insbesondere auf beunruhigende Ergebnisse von Tierversuchen. Rückstände der ­Chemikalie finden sich immer wieder in ­Lebensmitteln. Auch die Artenvielfalt ist gefährdet: Glyphosat zerstört so gut wie alle nicht gentechnisch veränderten Pflanzen auf dem Feld und damit laut Umweltbundesamt auch Nahrung beispielsweise für Vögel.

Die Reaktionen

„Die Europäische Kommission muss endlich einsehen, dass es höchste Zeit ist, das Ende von Glyphosat einzuläuten“, so Martin Häusling, ­agrarpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament. Dieses fordert, den Wirkstoff binnen 5 Jahren vom Markt zu nehmen. Die „Glyphosate Task Force“ von Monsanto und anderen Pestizidunternehmen kritisierte „die Situation als diskriminierend und unzumutbar“. Mehrere EU-Behörden hätten festgestellt, „dass vom Wirkstoff Glyphosat keine unvertretbaren Risiken ausgehen.“ Kritiker bezweifeln die Unabhängigkeit der Ämter.

Die Konsequenz

Deutschland etwa wird sich wohl auch bei der Abstimmung im Berufungsausschuss der EU-Staaten enthalten. Zwar hatte Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) am Mittwoch der Kommission geschrieben, seine Regierung könnte einer Zulassung für 3 Jahre zustimmen. Aber das von der SPD geführte Umweltministerium legte umgehend und öffentlich sein Veto ein. Die EU-Kommission hat sich immer für Glyphosat positioniert, auch weil sie andernfalls Klagen der Pestizidfirmen befürchtet. Am Donnerstag hob sie mehrmals hervor, dass die Hälfte der Mitgliedstaaten – unter anderem die Niederlande, Spanien, Schweden und Großbritannien – für ihren 5-Jahres-Vorschlag gestimmt habe. Die Behörde kann ihre Vorlage jedoch noch ändern, wenn ein Mitgliedstaat das verlangt. Umweltschützer hoffen, dass auf diesem Weg ein Ausstiegsdatum festgelegt wird. Sie setzen dabei beispielsweise auf Frankreich, Österreich oder Italien, die am Donnerstag mit Nein gestimmt haben. Jost Maurin

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