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die dritte meinungIch bin Lehrer, bitte schwärzt mich an!, fordert Ulf Koller

Ulf Koller

44, ist Lehrer an einer Gesamtschule in Oldenburg.

Hallo, AfD, ihr überlegt ja gerade, ob ihr eines eurer Lehrer-Anschwärz-Portale auch für Niedersachsen einrichtet. Ich habe jetzt schon Angst. Angst, meinen Namen dort nicht zu lesen. Ich habe meine Schüler*innen gefragt, ob sie nicht diesbezüglich tätig werden könnten, ein Versprechen konnte ich ihnen aber noch nicht abringen.

Als Politiklehrer nicht auf einem solchen Portal angeschwärzt zu werden, ist ein Makel. Oskar Maria Graf schrieb einst zur Bücherverbrennung „verbrennt mich!“. Er war bereits im Mai 1933 im Exil und bekam von dort aus mit, wie Wutbürger Bücher in die Flammen warfen. Er war geschockt, als er feststellte, dass die Nazis seine Bücher nicht verbrannten, und ersuchte sie darum, dies doch bitte schön nachzuholen.

Ich lasse keinen Zweifel daran, dass ich euch, AfD, nicht mag. Ihr seid ein Sammelbecken für Nazis und jetzt auch noch eine Spendenskandal-Partei.

Meine Landesschulbehörde fordert mich auf, das Grundgesetz zu verteidigen. Man kann das Grundgesetz nicht verteidigen, ohne dich zu problematisieren, AfD. Als Lehrer bin ich dem Mäßigungsgebot unterworfen. Deswegen schreibe ich keine Schmähgedichte über das, was du mit Ziegen machst. Von einem Müßigkeitsgebot habe ich noch nicht gehört. Ich gehe auf Demos gegen dich, AfD, und treffe dort meine Schüler*innen. So wissen sie, woran sie sind und können auch mich quellenkritisch einordnen. Ich habe keine Neutralitätspflicht gegenüber Menschenrechten, es wird kein „Pro und Contra Menschenwürde“ in meinem Unterricht geben. Also bitte, schwärzt mich an! Vielleicht könnte wenigstens ein unbedeutender Kreisvorsitzender meinen Namen in sein rechtsversifftes Notizbuch kritzeln?

Auch von Oskar Maria Graf wird berichtet, dass er seine Bücherverbrennung noch bekommen hat. Ich würde ungern einen ganzen Nationalsozialismus aushalten müssen, um meine AfD-Gegnerschaft bewiesen zu kriegen. Deshalb würde ich gern schon jetzt einen kleinen Rüffel auf einer niedersächsischen Anschwärz-Website reservieren.

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