die dritte meinung: In Afghanistan sterben weiter Zivilisten, Abschiebungen müssen unbedingt enden, sagt Emran Feroz
Emran Feroz
ist ein österreichisch-afghanischer Journalist und Aktivist. Er hat in Tübingen Politologie und Islamwissenschaften studiert und berichtet häufig aus und über Afghanistan, speziell über die Folgen des US-amerikanischen Drohnenkrieges. Feroz hat für dessen Opfer eine virtuelle Gedenkstätte initiiert und aktuell das Buch mit dem Titel „Tod per Knopfdruck“ veröffentlicht.
Die aktuellen Daten über zivile Opfer in Afghanistan machen deutlich, dass nichts in dem Land am Hindukusch gut ist. Laut dem aktuellen Bericht der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (Unama) wurden dort im Jahr 2017 mindestens 10.453 zivile Kriegsopfer dokumentiert, über 3.400 davon waren Todesopfer. Bei der Zählung verfolgt die Unama eine sehr strenge Methode. Für die Bestätigung jedes zivilen Opfers sind drei verschiedene Quellen erforderlich, was sich in einem Land wie Afghanistan mit seinen vielen abgeschiedenen Regionen oftmals als schwierig erweist. Aus diesem Grund handelt es sich auch bei den jüngsten Veröffentlichungen um absolute Mindestzahlen.
Die meisten Opfer gehen auf das Konto von aufständischen Gruppierungen, allen voran auf das der Taliban und das der afghanischen IS-Zelle.
Laut der Unama wurden im vergangenen Jahr mindestens 1.000 Zivilisten Opfer des IS, darunter waren 399 Todesopfer. Selbstmordattentate und Bombenangriffe in den vergangenen Monaten haben deutlich gemacht, dass die Terrororganisation auch in den urbanen Gebieten des Landes stark präsent ist.
Dies betrifft vor allem die Hauptstadt Kabul, die in den letzten Wochen und Monaten mehrere blutige Anschläge erlebte. Der UN-Bericht macht sogar deutlich, dass in Kabul letztes Jahr die meisten Zivilisten getötet wurden. Ausgerechnet Kabul. Schließlich ist es auch jenes Kabul, in das EU-Staaten, darunter auch Deutschland, afghanische Geflüchtete abschieben.
Dass dies weiterhin geschieht, ist ein Skandal, der nicht fortgesetzt werden darf. Auch die neue Große Koalition muss sich Afghanistan widmen. Den Konflikt kann sie gewiss nicht lösen, Abschiebungen komplett einstellen aber sehr wohl. Für die Eskalation der Gewalt tragen schließlich auch westliche Staaten Verantwortung. Über 4.300 Bomben warf das US-Militär allein 2017 in Afghanistan ab. Terror und Militanz wurden dadurch nicht besiegt, sie nahmen vielmehr ständig zu. Ein Zufall ist das ganz sicher nicht.
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