die drei fragezeichen: „Es geht immer um Terrorismus- propaganda“
Christian Mihr, 42, ist Journalist und seit 2012 Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen in Deutschland.
1 taz am wochenende: In der Türkei müssen sechs ehemalige Mitarbeiter der Zeitung Cumhuriyet nach einem gescheiterten Berufungsverfahren ins Gefängnis. Was haben sie verbrochen?
Christian Mihr: Grob gesagt geht es immer um die Unterstützung angeblicher Terrororganisationen, in der Regel um Unterstützung der Gülen-Bewegung. Ich war bei vielen Prozessterminen vor Ort live dabei. Der Hauptvorwurf war, dass die Zeitung von ihrem Kurs abgekommen und in Gülen-Nähe gerückt ist.
2 Ist da etwas dran? Wo steht das Blatt politisch?
Traditionell ist die Cumhuriyet eine kemalistische Zeitung, die die Werte der Republik und des Staatsgründers Atatürk hochhält. Unter dem Chefredakteur Can Dündar, der im Exil in Deutschland lebt, hat sie sich dem linksliberalen Spektrum geöffnet. Nun hat es vergangenes Jahr im Stiftungsvorstand einen Mehrheitswechsel gegeben. Jetzt haben Leute eine Mehrheit, die diese linksliberale Öffnung zurückdrehen wollen. Zum Teil waren diese Personen auch Hauptbelastungszeugen im Verfahren und haben viele falsche Dinge verbreitet. Aber auch wenn die Zeitung kein Oppositionsblatt mehr ist: Die Cumhuriyet ist kein reines Regierungsblatt.
3 Wo liegt die Türkei auf Ihrer Rangliste der Pressefreiheit?
Auf Platz 157 von 180 Ländern. Wichtig aber ist: Auch wenn die Räume immer enger geworden sind, gibt es in der Türkei Pressefreiheit. Sie wird vor allem im Internet gelebt. Die Massenmedien dagegen sind direkt oder indirekt regierungsnah. Indirekt heißt, dass es entweder verwandtschaftliche Verbindungen zu Präsident Erdoğan gibt oder wirtschaftliche Abhängigkeiten.
Interview: Jannis Hagmann
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