piwik no script img

die deppendichte in der car-sharing-branche von KARL WEGMANN

„Idioten!“ Konscho ist ziemlich angefressen, weil er von Stadtteilauto nicht den Wagen bekommt, den er gebucht hatte. „Die Deppendichte in der Car- Sharing-Branche nimmt allmählich bedrohliche Ausmaße an“, ereifert er sich. Hermann lacht, Bernd meint: „Das ist doch so eine übrig gebliebene Alternativnische, die laufen wahrscheinlich alle noch in Latzhosen rum, hören BAP, scheffeln Kohle wie Dreck und haben ein schlechtes Gewissen dabei.“ – „Genau“, sagt Hermann, „deshalb betreiben sie nebenbei einen Ökobauernhof und produzieren Biowaffen in Form von giftigen Hühnerbeinen.“ Alles grinst, nur Konscho und sein Blutdruck trainieren immer noch für einen Herzkasper. Sie haben ausgezeichnete Chancen, denn es ist der heißeste Tag des Jahres, matte 36 Grad im Schatten, nur sitzen wir nicht im Schatten.

Schweiß fließt, Kronkorken werden weggesprengt und die Lungen werden geteert, dass Serge Gainsbourg seine Freude gehabt hätte. „Mann, bleib locker“, versucht Willy den Griechen zu beruhigen, „nimmste eben ein anderes Auto.“ – „Ich will aber diesen verfluchten Twingo!“ Konscho klingt, als würde er die Worte in Hartmetall stanzen. „Weil dieser Scheiß-Twingo ein Faltdach und einen CD-Spieler hat. Ich will mit offenem Verdeck über die Insel brettern und dabei Patti Smith hören … verdammt, könnt ihr das nicht verstehen?“ – „Sicher“, meint Willy. „Äh, äh“, krächzt Hermann. „Idioten!“, brüllt Konscho wieder und wir halten kurz die Luft an, weil wir jeden Augenblick damit rechnen, das der Mann den Löffel abgibt. Tut er nicht. Er saugt nur seine Flasche leer und knackt gleich eine neue. Willy wird philosophisch und belehrt den Aufgebrachten: „Gibt dir das Leben eine Zitrone – mach Limonade draus!“ Konscho guckt verständnislos, aber Hermann meint: „Apropos Zitrone. Habt ihr schon das neue Weizenbier von Pott’s probiert? Richtig ekelig. Schmeckt total sauer.“ Willy verdreht die Augen und verschwindet kurz ins Haus, um eine neue Platte aufzulegen. Die Außenlautsprecher verwöhnen uns nun mit Jeff Tweedys Soundtrack zu Ethan Hawkes „Chelsea Walls“. Und das scheint den wilden Griechen etwas zu beruhigen. „Ah“, meint er verzückt, „Billy Bragg ist ja auch dabei.“

Allmählich entfalten Sonne und Bier ihre Wirkung. Wir werden ein wenig schläfrig, nur Konscho erzählt uns das ganze Stadtteilauto-Drama noch einmal. Wie er schon vor zwei Monaten den Twingo gebucht hat, wie sie ihm lachend versichert hätten: „Viel zu früh, aber wir notieren schon mal.“ Wie er dann heute wieder angeklingelt hat und sie meinten: „Unmöglich! Viel zu spät.“ Wie er dann ausgerastet sei und die verschreckten Mietautoheinis die Schuld von einem Mitarbeiter auf den anderen geschoben hätten. Wie er ihnen dann das ökonomische Prinzip – mit einem Minimum an Mitteln ein Maximum an Erfolg – erklärt hätte und so weiter. „Sag ich doch“, sagt Bernd und öffnet ein Auge, „angeschimmelte Latzhosen im Management – das funktioniert einfach nicht.“ Und Hermann fragt mit geschlossenen Augen: „Patti Smith? Wieso eigentlich Patti Smith?“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen