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Trumps Kampf gegen die JustizDer autoritär-faschistische Staatsumbau

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Ob Abschiebungen, Vorgehen gegen Universitäten oder Zollpolitik – Trump gerät immer wieder ins Visier der Justiz. Er will der Gewaltenteilung langfristig schaden.

Sorgt weiter für Chaos: Donald Trump Foto: Leah Millis/reuters

W as auch immer Donald Trump politisch angeht – irgendwann landen seine Initiativen vor Gericht. In dieser Woche sind seine wilden Zölle gegen alles und jeden zum Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen geworden: Erst entschied am Mittwoch der Gerichtshof für In­ter­na­tio­na­len Handel in New York, Trump habe kein Recht, am Kongress vorbei solch weitreichende Zollentscheidungen zu treffen; das Notfallgesetz, das er zur Begründung in Stellung gebracht hatte, greife da nicht. Keine 24 Stunden später hob ein Berufungsgericht diese Entscheidung vorläufig auf.

Das könnte ein normaler Vorgang in einem demokratischen Rechtsstaat sein – wäre da nicht die Rhetorik, die das MAGA-Regierungslager bei jeder juristischen Niederlage ins Feld führt. Denn für Trump, seinen Berater und stellvertretenden Stabschef Stephen Miller und seine Pressesprecherin Karoline Leavitt sind die Übeltäter „nicht gewählte“ oder „aktivistische“ Richter, in jedem Fall aber lästige Wichtigtuer, die sich aus politischen Gründen anmaßen, dem großen Staatenlenker Donald Trump ans Bein pinkeln zu wollen. Oder wie es Pressesprecherin Leavitt ausdrückt: „Diese Richter drohen die Glaubwürdigkeit der Vereinigten Staaten auf der Weltbühne zu untergraben. […] Der Supreme Court muss dem ein Ende setzen.“

Seit seinem Amtsantritt arbeitet Trump darauf hin, dass ihm der Supreme Court die absolute Macht bestätigt

Ob Abschiebungen, Vorgehen gegen Universitäten, Massenentlassungen im öffentlichen Dienst, negierte Existenz von trans Personen oder eben Zollpolitik – Trump gerät nicht deshalb immer wieder ins Visier der Justiz, weil da irgendwie gemeine „Hinterzimmerakteure“ am Werk sind (Trump über die Richter im Zollstreit), sondern weil seine gesamte Agenda darauf angelegt ist, absolute Macht für sich selbst zu fordern und alle Regeln der Gewaltenteilung außer Kraft zu setzen.

Seit seinem Amtsantritt am 20. Januar steuert er auf das Ziel hin, den Obersten Gerichtshof dazu zu bringen, ihm diese Macht auch zuzugestehen. Das Urteil vom vergangenen Jahr, mit dem der rechts dominierte Gerichtshof ihm volle Immunität für alle Amtshandlungen zugesichert hatte, bestärkt Trump in dem Glauben, der Supreme Court könne alle Grenzüberschreitungen mit einem Grundsatzurteil absegnen. Ein für alle Mal und dann nicht mehr anfechtbar.

Bonding mit Bondi

Jene Gegengewichte, die als „unabhängige Institutionen“ in den Regierungsapparat eingebaut sind, um die Rechtmäßigkeit des Regierungshandelns zu überprüfen, hat Trump bereits per Stellenbesetzungen ausgeschaltet. Das Justizministerium etwa hat eigentlich das Selbstverständnis, ausschließlich dem Gesetz verpflichtet zu sein, nicht dem Präsidenten. Mit Trump-Loyalistin Pam Bondi an der Spitze kann davon nicht mehr die Rede sein. Gleiches gilt für alle anderen, die unter Trump in Spitzenposi­tio­nen gekommen sind: Ihr oberstes Ziel ist die Durchsetzung von Trumps Willen, Gesetze hin, Gesetze her.

Solange der Oberste Gerichtshof die Einspruchsmöglichkeiten von Bun­des­rich­te­r*in­nen noch nicht abgeräumt hat, führt das zu gewaltigem Hin und Her. Zölle da, Zölle weg, Zölle da. Ausländische Studierende in Harvard raus, rein, raus, vielleicht. Deportationen nach El Salvador aufgrund eines im letzten Weltkrieg angewandten Ausnahmegesetzes klar, auf keinen Fall, eventuell, Pech, wer schon abgeschoben ist. Es ist ein unglaubliches Chaos mit nicht zuletzt für die US-Wirtschaft negativen Folgen. Aber Trump nutzt das Durcheinander zum eigenen Vorteil: Schafft mir diese quertreibenden Richter*innen, Gou­ver­neu­r*in­nen und Par­la­men­ta­rie­r*in­nen vom Hals, dann wird alles gut und America endlich great again!

Bis dahin wird Kurs gehalten – und sollte doch jemand unter die juristischen Räder kommen, kann er im Zweifel auf die Begnadigung durch den Präsidenten hoffen. Erst diese Woche hat Trump zwei Dutzend ihm politisch wohlgesonnene Steuerhinterzieher und sonstige verurteilte Kriminelle aus der Haft entlassen. Er baut inner- und außerhalb der Republikanischen Partei ein Beziehungsgeflecht auf, das unbedingte und kritiklose Loyalität belohnt und alles andere als Verrat bekämpft. Man kennt das aus mafiösen Organisationen.

Für die Bundesstaaten, die gegen Trumps Zölle geklagt haben, für Universitäten, die um ihre ausländischen Studierenden und die Wissenschaftsfreiheit kämpfen, für die Mi­gran­t*innen, die um ihre schiere Existenz außerhalb von salvadorianischen Gulags bangen, braucht es große sektoren- und parteienübergreifende Solidaritätsbündnisse. Es wird anstrengend, den von der Hälfte der Bevölkerung gutgeheißenen autoritär-faschistischen Staatsumbau aufzuhalten. Unmöglich ist es noch nicht.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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7 Kommentare

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  • Ein "autoritär faschistischer Staatsumbau", der Historiker Manfred Berg sagte im Interview mit der tagesschau "die derzeitige US-Politik von Trump habe "eine systemsprengende Dimension und hat es so in der amerikanischen Geschichte noch nicht gegeben". Folge: "die schwerste Verfassungskrise seit dem Bürgerkrieg".

    Erstaunlich, dass deutsche Universitäten keinen gemeinsamen öffentlichen Protest für die entlassenen US-Kollegen und ihre Mitarbeiter formulieren, die vor dem wirtschaftlichen Nichts stehen. Auch die deutsche Politik schweigt zu den Folgen des Staatsumbaus in den USA. Sollte Trump Urteile des Obersten Gerichtshofs ignorieren, ist die Demokratie ausgehebelt.

    www.tagesschau.de/...ungskrise-100.html

  • Und das völlig Unverständliche dabei ist, daß die Demokraten solche Steilvorlagen nicht nutzen, zumindest hört man kaum etwas davon. Wo ist Pamela Harris? Karriereziel nicht erreicht scheint sie sich anderen Zielen zu widmen. Die komplette Opposition besteht derzeit aus dem Musiker Bruce Springsteen, und dem hat Trump schon angedroht: Warte nur, Bürschchen, bis du wieder in die großartigen Trump-USA einreist.

  • Wer soll denn diesen "autoritär-faschistischen Staatsumbau" noch aufhalten? Schließlich radikalisieren sich große Teile US-Bevölkerung immer mehr. Die Realitätswahrnehmung schwindet im Dauerfeuer der MAGA-Propaganda auf Fox, X (Twitter) etc.. Gleichzeitig treten d. negativen Folgen d. Trump'schen Politik noch nicht wirklich zu Tage. Eier werden billiger, die Spritpreise sind niedrig wie nie u. die Inflation sinkt. Dass d. prognostizierten Auswirkungen kommen werden, ist gewiss, aber Trump u seine Propaganda sind schneller. Sehr viele Menschen glauben ihm schon jetzt mit religiöser Inbrunst - auch wenn er auf plumpste Weise lügt.



    Trump ist längst nicht mehr nur der Präsident dieser vielen Amerikaner, er ist ihr Messias. Sie werden ihn verteidigen - auch mit der Waffe in der Hand.



    Auch das ist ein Kernelement der Trump'schen Strategie: Das Drohen mit Gewalt! Niemand soll es wagen, sich gegen seine Politik zu stellen - nicht im Gespräch mit dem Nachbarn, nicht in Versammlungen, nicht als Richter, nicht als Wähler bei den Midterms. Fanatisierte Anhänger stehen bereit - die Waffe im Schrank.



    Nein, es gibt wenig Hoffnung, dass dieser Irrsinn eine friedliches Ende nimmt.

  • "Erst entschied am Mittwoch der Gerichtshof für In­ter­na­tio­na­len Handel in New York, Trump habe kein Recht, am Kongress vorbei solch weitreichende Zollentscheidungen zu treffen (...) Keine 24 Stunden später hob ein Berufungsgericht diese Entscheidung vorläufig auf."



    Dieses von euch so gehypte Urteil des Gerichtshofs für internationalen Handel in New York war nichts anderes als eine Posse im ewigen Grabenkampf der politischen Lager der USA.



    Besagter Gerichtshof hat ein enormes Übergewicht an Richtern die noch von Obama berufen wurden, auch Biden konnte noch eine Position besetzen. Es war völlig klar das einerseits das Urteil so ausfällt - geklagt hatten ausschließlich demokratisch geführte Bundesstaaten und zwei republikanische die von Trumpkritikern geführt werden - und andererseits das sich Trump nicht daran hält.



    Die USA sind mit Deutschland nicht vergleichbar. Dadurch das dort nur zwei Parteien zur Wahl stehen, ist der Kampf um Richter und das strategische Besetzen von Richterposten mit das schärfste Schwert um über Legislaturen hinaus die politische Strömung nachhaltig zu lenken.



    Richter sind dort auch nicht auf Zeit sondern auf Lebenszeit berufen...

  • Danke für den Artikel!

    Die geplante Überschwemmung des Landes - und der Welt- mit täglich neuem Aktionismus funktioniert.



    Da ist mehr Bericht und wenig Analyse wahrnehmbar.



    Die Demokratie in den USA ist schwer angeschlagen. Dass nebenbei Menschen verhungern oder an Krankheiten sterben, Leute arbeitslos w oder ausgewiesen werden, all das ist dem kommenden König von Amerika egal oder er wünscht es sogar herbei.



    Maxime:



    make trump rich again!

  • Mir kommt es so vor als ob die ultrarechten Kräfte viel internationaler denken als die linken. Meloni war ständig bei Elon Musk in den USA zu Gast, der wiederum pflegt Kontakte zur AFD, Trump schaut gern nach Ungarn und Russland, Bolsonaro damals zu Trump.

    Alle Autokraten weltweit lernen voneinander welche Unterdrückungstechniken am besten funktionieren und wie man die Medien flutet um maximales Chaos zu schaffen, bis die Leute nicht mehr hinschauen und vergessen was letzte Woche war.

    Darum sollten wir die betroffenen Länder sehr genau studieren, gerade was das Schaffen straffreier Räume und ausgehöhlter Institutionen angeht, die nur noch dem Namen nach "demokratisch" sind. Es werden ähnliche Techniken angewandt weil sie woanders den Autokraten bereits zum Erfolg verholfen haben.

  • Bitter. Indeed

    Zur Erinnerung - Nero 2.0 🍑 💨 -



    Montesquieu -



    “Sobald in ein und derselben Person oder derselben Beamtenschaft die legislative Befugnis mit der exekutiven verbunden ist, gibt es keine Freiheit.“



    „Freiheit gibt es auch nicht, wenn die richterliche Befugnis nicht von der legislativen und von der exekutiven Befugnis geschieden wird. Die Macht über Leben und Freiheit der Bürger würde unumschränkt sein, wenn jene mit der legislativen Befugnis gekoppelt wäre; denn der Richter wäre Gesetzgeber. Der Richter hätte die Zwangsgewalt eines Unterdrückers, wenn jene mit der exekutiven Gewalt gekoppelt wäre.“



    „Alles wäre verloren, wenn ein und derselbe Mann beziehungsweise die gleiche Körperschaft entweder der Mächtigsten oder der Adligen oder des Volkes folgende drei Machtvollkommenheiten ausübte: Gesetze erlassen, öffentliche Beschlüsse in die Tat umsetzen, Verbrechen und private Streitfälle aburteilen.“



    de.wikipedia.org/w...ron_de_Montesquieu



    But.



    Dritte Gewalt - die Justiz - war ihm die



    Pouvoir Nul - sie nur “schlicht um schlicht“ die Gesetze Exekutivakte der 1.&2. Gewalt in gerichtliche Entscheidungen, Urteile Beschlüsse umzusetzen habe