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der homosexuelle mann ...

von ELMAR KRAUSHAAR

... steht im Mittelpunkt, und die geschundene Seele weiß es zu genießen. Seit der ersten Debatten-Runde im Bundestag zum Ehe-Surrogat für Lesben und Schwule überschlagen sich die Medien. Ein „Kulturkampf um die Homo-Ehe“ übertreibt der Spiegel, und viele legen nach und nutzen die Gelegenheit, sich ihres lange verschütteten Wissens über homosexuelle Frauen und Männer neu zu versichern. Und genau so fühlen sich die alten neuen Erkenntnisse auch an: Wie aus einer Wäschetruhe geboren, die zu lange in der feuchten Kellerecke vor sich hinmoderte.

Die Welt steuert zur Diskussion ein bisschen Antike bei und schwelgt – rein wissenschaftlich natürlich – in dorischer Knabenliebe, ihrem „pädagogischen Sinn“ und ihrem Niedergang „aus politischem Kalkül“. Das sind die üblichen Rechtfertigungsarien, die uns schon unsere schwulen Väter gesungen haben, als der Paragraph noch vitale Realität war.

Was das machtvolle Gedenken an die Antike alleine nicht rumreißt – auch das kennen wir von unseren Vätern –, soll ein Blick in die Forschung leisten. Wieder die Welt, die den aktuellen Wissensstand bilanziert, ohne die geringste Scham: Da werden die vermeintlich zu kurzen Zeigefinger lesbischer Frauen ebenso wieder zur Beweiskraft für das andere Sein wie die angeblich häufigere Linkshändigkeit von Lesben und Schwulen. Nicht genug, das ganze Kuriositätenkabinett wird noch einmal aufgefahren, mit Zwillingen und Genen, ungezählten Tierversuchen und Menschenvermessungen.

Der Spiegel, der mit Stefan Austs Machtantritt seine aus den ersten Jahren der Aids-Krise bekannte Homophobie reaktivierte, verpennt zunächst das Thema „Homo-Ehe“, um dann aber umso gezielter zuzuschlagen. Heimtückisch versteckte sich das gewichtige Nachrichtenmagazin hinter dem bösen schwarzen Mann von Fulda, der fröhlich von der Leine gelassen von „importierten Lustknaben“ halluzinierte und eine Nummer später noch mal seine tiefe Verachtung für die schwule Gemeinde ausbreiten durfte.

Das sind nur zwei Griffe in die Zaubertüte, aus der es derzeit unisono kracht, mit Klischees und Vorurteilen, selbstherrlichem Überflug und gar keinem Respekt vor Lesben und Schwulen. So als verbiete sich zu diesem Thema jedes Denken, allein Pawlow regiert. Niemand formuliert dieses Dilemma besser als die CDU. In einem parteiinternen Diskussionspapier – überschrieben mit „Nichtdiskriminierung und Toleranz“ – heißt es über das Für und Wider zur Homo-Ehe: „Jede verantwortliche Entscheidung (...) hat angesichts der wissenschaftlich ungeklärten Ursachen der Homosexualität und im Hinblick auf Menschen mit bisexueller Orientierung und auf Jugendliche zu bedenken, dass eine demonstrative rechtliche Gleichstellung auf Verhaltensdispositionen zurückwirken und gegenwärtig unabsehbare soziale, kulturelle und psychologische Folgewirkungen haben könnte.“ Im Klartext: Diese menschlichen Tretminen an dem Katzentisch unserer Gesellschaft zu platzieren, hat ungeahnte Folgen. Vor jeder Annäherung wird ausdrücklich gewarnt.

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