der homosexuelle mann:
von ELMAR KRAUSHAAR
. . . kann auch treu sein. Auf eine klebrige, zähe Weise. Ganz unromantisch und mit einem deutlichen Zug ins hinterhältig Devote. Die Objekte dieser leicht antiquierten Emotion sind in der Regel ältere Damen mit Straußenfedern um den Hals und einem dramatischen Lebenslauf an der Backe. Sängerinnen zumeist, Schauspielerinnen, Diseusen: die ganz Großen ihres Fachs, von denen die Öffentlichkeit sich schon lange verabschiedet hat, weil sie nichts mehr hergeben für kollektive Heteroträume.
Nur der Schwule bleibt dran, verehrt sie bis ins hohe Alter und vergisst ihnen nichts, keine kleine Zuwendung, kein gutes Wort. In diesem Geist wurde Zarah Leander von einer Abschiedstournee zur nächsten geschaukelt, Hildegard Knef noch jeder Klinikaufenthalt erleichtert und Elizabeth Taylor auserkoren zur Schutzheiligen aller Gleichgeschlechtlichen.
Doch es müssen nicht immer die Unsterblichen sein, zur einfachen Verehrung für jeden Tag reicht auch schon eine Schlagersängerin, dir nur lange genug dabei war. Wo wären Marianne Rosenberg, Mary Roos oder Vicky Leandros heute ohne ihre schwulen Freunde? Das sind die wirklichen Fans, die jeden musikalischen Fehltritt verzeihen und mit keiner Wimper zucken, wenn das Make-up längst schon blättert und die große Geste erlahmt. Schließlich sollen sie ihnen nur die Stimme leihen und hin und wieder einen Kiekser für das große Gefühl. Dafür erledigen sie die Autogrammpost für die Damen, halten den Pressespiegel à jour und organisieren spektakuläre Konzerte, wo sonst nur noch die „Gala“ bliebe, diese euphemistische Umschreibung für eine schäbige Playbacknummer im Möbelhaus oder auf dem Betriebsfest.
Diese besondere „Idolatrie“ (Detlev Meyer) macht sich jetzt die Schlagerbranche zu Eigen und versucht, ihre weiblichen Produkte über die schwule Schiene im Geschäft zu halten oder neu zu etablieren. Das heißt für die Stars und Sternchen auf Promo-Tour: Boxenstopp jetzt auch bei den schwulen Medien.
Doch die Rache der Schwulen für so viel merkantile Gier ist heftig und heißt Steffi Love. Zuständig beim Homo-Magazin Männer aktuell für die Promi-Talks schwingt Steffi die Peitsche und zeigt den Gästen, wohin das führt, wenn man allzu offensichtlich an das schwule Geld will. Steffi fragt gnadenlos und zeigt keinerlei Respekt für die Kunst ihrer Opfer: „Bist du eine Schwanzexpertin?“, muss beispielsweise Juliane Werding sich anhören, und wie sie denn mit den „Schamlippen klappert“. Die erste Frage an Kim Fisher lautet: „Wann war die letzte Geschlechtskrankheit?“, und auf „Benutzt du Tampons oder Binden?“ soll sie ebenso eine clevere Antwort wissen wie auf „Hast du schon mal geschluckt?“, ganz ohne rot zu werden und professionell cool.
Früher reichte es aus, wenn die Stars vor schwulem Publikum damit angaben, dass ihr Friseur auch so sei und der eine oder andere Freund. Keiner fällt mehr rein auf diese platte Ranschmeiße, diese Zeiten sind mit Steffi Love vorbei. Zum Schwulenidol wird man nicht mehr geboren, dafür muss man ordentlich was tun.
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