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der anstoßTruth predigt Wahrheit

Auch wenn der Begriff erst in den 1980er Jahren theoretisch erfasst wurde, prägte Sojourner Truth bereits 1851 den intersektionalen Feminismus. Foto: glasshouseimages/imago

Sojourner Truth erklimmt die Stufen der Universalist Old Stone Kirche in Akron, so berichten es mehrere Lokalzeitungen. Es ist der zweite Tag der Ohio-Frauenkonferenz 1851. Die Schwarze Anti-Sklaverei-Aktivistin wendet sich zur versammelten Menge: „Ain’t I a woman?“ – bin ich denn keine Frau?, fragt sie. Ein Vorredner habe gesagt, Frauen helfe man in Kutschen und man trage sie über Pfützen. Das sei ihr noch nie passiert. Stattdessen habe sie auf Feldern geschuftet. „Ain’t I a woman?“, fragt Truth immer wieder.

So oder so ähnlich sprach Truth vor der Menge. Ob sie damals tatsächlich den berühmten Satz „Ain’t I a women“ verwendete, ist heute schwer zu prüfen. Ein Transkript der Rede in der Anti-Slavery-Bungle, das kurz nach dem Kongress veröffentlicht wurde, enthält diese Passage nicht. Erst eine spätere Version beinhaltet die Formulierung. Inhaltlich ist die Bedeutung aber die gleiche: Truth zeigte, wer in der Kategorie „Frau“ gewöhnlich mitgedacht wird – lediglich weiße und damit sowieso privilegierte Frauen.

Truth selbst wurde 1797 im Bundesstaat New York in die Sklaverei hineingeboren. Wie andere Skla­v:in­nen erlebte sie körperliche und seelische Misshandlung. Obwohl in New York 1827 ein Gesetz gegen Sklaverei in Kraft tritt, weigerte sich Truths Master, sie zu entlassen. Also lief die damals 30-Jährige davon. Ihren Geburtsnamen Isabella Baumfree änderte sie später zu Sojourner Truth.

In den nächsten Jahrzehnten wurde sie zu einer der bekanntesten Aktivistinnen der sogenannten Abolitionisten – den Gegnern der Sklaverei. Als Truth die Rede hielt, war Sklaverei in vielen Bundesstaaten der USA noch erlaubt. Gleichzeitig hatten Frauen keine politische und kaum zivile Mitbestimmung. Als Schwarze Frau war Truth also gleich von mehreren Formen der Diskriminierung betroffen.

Der ihr zugeschriebene Satz „Ain’t I a women“ machte sie zu einer Vordenkerin des intersektionalen Feminismus. Auch wenn der konkrete Ausdruck erst Ende der 1980er durch die feministische und Critical-Race-Theoretikerin Kimberlé Crenshaw geprägt wurde. Ver­tre­te­r:in­nen appellieren für eine differenzierte Perspektive: Geschlecht kann nicht isoliert betrachtet werden. Ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, Klasse oder Sexualität spielen immer auch eine Rolle.

Auch wenn der Begriff intersektionaler Feminismuserst in den 1980er Jahren theoretisch erfasst wurde, prägte Sojourner Truth ihn bereits 1851 Foto: Bridgeman Images/imago

Um nur ein Beispiel zu nennen: Aktuelle Zahlen aus den USA zeigen, dass Schwarze Mütter bei der Geburt ihres Kindes dreimal so häufig sterben wie weiße. Auch in Europa sterben nicht-weiße Frauen häufiger bei Geburten. Dabei belegen Studien, dass ethnische Zugehörigkeit und damit verbundener institutionalisierter Rassismus den Zugang zur Gesundheitsversorgung beeinflussen. Obwohl Truths Rede mehr als 170 Jahre her ist, ihre Kritik an eindimensionalem Aktivismus bleibt aktuell und – wie ihr Name suggeriert – wahr. Clara Dünkler

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