debatte: Impfstoffe für alle
Um auf künftige Pandemien besser reagieren zu können, braucht es globale Partnerschaften zwischen Staaten, Forschungseinrichtungen und Geldgebern
Erinnert sich noch jemand an die Coronakrise? Um auf weitere Pandemien global besser reagieren zu können, will die WHO künftig mit einem Pandemie-Abkommen für mehr internationale Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich sorgen. Doch diese Zusammenarbeit steht unter Druck, weil die Kürzung der Entwicklungshilfe durch traditionelle Geldgeber Zweifel daran aufkommen lassen, dass Infektionskrankheiten in den schwächsten Ländern der Welt ausreichend vorgebeugt und bekämpft werden können. Um die künftige Widerstandsfähigkeit gegen Pandemien sicherzustellen, müssen solche Lücken geschlossen werden. Der Schlüssel zum Erfolg sind starke Partnerschaften zwischen multinationalen Organisationen, privaten und öffentlichen Einrichtungen sowie der Zivilgesellschaft.
Wir wissen aus jüngster Erfahrung, dass starke globale Partnerschaften funktionieren. Vor fünf Jahren gelang es uns, den Impfstoffnationalismus (das Horten begrenzter Vorräte) bei Covid zu überwinden. Beispielsweise durch Gavi, einem weltweiten Bündnis öffentlicher, privater und zivilgesellschaftlicher Gruppen mit dem Ziel, Menschen im Globalen Süden durch Impfungen gegen vermeidbare Krankheiten zu schützen. Gavi ging damals eine Partnerschaft mit der Europäischen Investitionsbank-Gruppe ein, um 600 Millionen Euro an Gebermitteln für die sogenannte Covax-Initiative, den schnelleren Zugang zu Impfstoffen, zu mobilisieren. Ohne dieses Geld wäre es nicht gelungen, Impfstoffe schnell und in großem Umfang bereitzustellen. Fast zwei Milliarden Impfstoffdosen konnten ausgeliefert werden, mehr als 100 (überwiegend) arme Länder haben profitiert, weil wir die Weitsicht hatten, gemeinsam auf die Pandemie zu reagieren.
Der Nutzen war nicht auf diese Länder beschränkt. Erinnern wir uns an das Mantra der Pandemie: „Niemand ist sicher, solange nicht alle sicher sind.“ Längere Shutdowns bedeuteten größere Unterbrechungen der Lieferketten und der Weltwirtschaft. Je schneller wir den Zugang zu Test-, Überwachungs- und Kontaktverfolgungstechnologien ermöglichten, desto besser waren wir in der Lage, neue Virusvarianten zu erkennen und uns entsprechend anzupassen. Es waren Labortechniker in Südafrika, die als Erste die berüchtigte Omikronvariante identifizierten und auf sie aufmerksam machten.
In dem Bewusstsein, dass wir auf die nächste Pandemie noch besser vorbereitet sein müssen, haben wir auf dem bisherigen Erfolg aufgebaut. Die Europäische Investitionsbank stellt Gavi 1 Milliarde Euro zur Verfügung, um den Zugang zu Impfstoffen gegen Viren mit Pandemiepotenzial (wie Ebola) zu beschleunigen und Routineimpfungen gegen vermeidbare Krankheiten wie Masern, Malaria und das humane Papillomavirus – eine der Hauptursachen für Gebärmutterhalskrebs – zu unterstützen. Ein neuer Impfstoff gegen Tuberkulose steht ebenfalls in Aussicht.
Das hat andere inspiriert und ihre Bemühungen beflügelt. So arbeiten jene G7-Institutionen, die Entwicklungshilfe finanzieren, mit der Investitionsbank, MedAccess, das medizinische Forschung finanziert, und der Internationalen Finanz-Corporation zusammen. Ziel ist es, neue Finanzierungen für Impfstoffe, Therapeutika, Diagnostika und andere medizinische Güter zu erschließen, die ärmere Länder bei künftigen Pandemien dringend brauchen. Das Ankurbeln von regionalen Impfstoffproduktionen hat Priorität. Auf Afrika entfallen 20 Prozent der Weltbevölkerung, aber nur 0,1 Prozent des weltweiten Impfstoffangebots. Der Aufbau der Impfstoffproduktion auf dem Kontinent ist wichtig, um die allgemeine Pandemievorsorge zu verbessern.
Auch hier sind Partnerschaften und finanzielle Innovationen der Investitionsbank ein entscheidender Faktor. Der mit 1,2 Milliarden Dollar ausgestattete African Vaccine Manufacturing Accelerator von Gavi, jener Bereich bei Gavi, der die afrikanische Impfstoffproduktion beschleunigen soll, wird von den europäischen Regierungen und internationalen Institutionen mit mehr als 750 Millionen Euro unterstützt. Das soll helfen, Hürden für die lokale Impfstoffproduktion zu beseitigen. Die Investitionsbank und das Institut Pasteur de Dakar finanzieren Produktionsanlagen in Ghana, Südafrika, Senegal.
Die Kombination unseres Fachwissens mit der Europäischen Investitionsbank und Gavi hilft Ländern insbesondere des Globalen Südens, stabilere Gesundheitssysteme aufzubauen und besser auf Pandemien reagieren und Leben retten zu können. Als missionsorientierte Organisationen wissen wir, dass der Schutz der globalen Gesundheit mutige Maßnahmen erfordert. Indem wir in Forschung investieren und dafür sorgen, dass die Ressourcen diejenigen erreichen, die sie am dringendsten benötigen, können wir das Risiko künftiger Ausbrüche verringern, Menschen schützen und eine Welt schaffen, in der Gesundheitskrisen nicht länger Leben und Existenzgrundlagen zerstören. Viren scheren sich nicht um Politik, Visa, Zölle, Kriege. Sie reagieren auf ein starkes Immunsystem und wirksame Impfstoffe. Wenn wir nicht dafür sorgen, dass alle Länder über die nötigen Ressourcen verfügen, um neue Ausbrüche rasch zu erkennen und darauf zu reagieren, sind wir alle gefährdet. Ohne globale Zusammenarbeit können wir uns selbst und unsere Volkswirtschaften nicht schützen. Die Investition in innovative globale Gesundheitspartnerschaften ist unsere beste Verteidigung gegen den nächsten großen Ausbruch und wird sich in Form von weltweiter Stabilität und Sicherheit auszahlen.
Aus dem Englischen von Jan Doolan.
Copyright: Project Syndicate, 2025. Project Syndicate mit Sitz in Prag ist eine Non-Profit-Organisation, die internationalen Medien Essays und Meinungsbeiträge von namhaften PublizistInnen und WissenschaftlerInnen anbietet.
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