dax-krise: Kriminelle Kontrolleure
Die Aktienkurse der Weltbörsen schwankten gestern wieder stark und durchbrachen sämtliche als sicher eingeschätzten Auffanglinien nach unten. Ein Viertel seines Wertes hat der wichtigste deutsche Aktienindex, der DAX, seit Anfang des Monats verloren. Damit bewegen sich die Verluste in einem Bereich, der sich mit den großen Crashs der Börsengeschichte vergleichen lässt. Die Anleger schwanken zwischen Panik und berechtigtem Fluchtinstinkt.
Kommentarvon REINER METZGER
Eine Ursache für den Aktienfall ist bekannt und durchaus rational. Die New-Economy-Spekulationsblase hatte die Kurse weit über die eigentlichen Unternehmenswerte hinaus aufgebläht. Nach den jüngsten Kursstürzen sind sie nun wieder bei den historischen Größen angekommen.
Allerdings mit einem wesentlichen Unterschied: Kein Beobachter hatte damit gerechnet, dass derart viel Kriminalität im Spiel sein könnte. Wie in den letzten Tagen durch Verhöre vor dem US-Senat bekannt wurde, haben gierige Vorstandschefs ihre Entlohnung durch Bilanzfälschungen aufgebläht und mit ihnen verwobene Wirtschaftsprüfer diese Bilanzen dann als korrekt gestempelt. Zudem haben auch die letzten Kontrolleure im freien Spiel der Finanzwirtschaft nicht nur versagt, sondern mit ihrem Know-how aktiv zum Betrug beigetragen: die Banken.
Die Spezialisten der Geldhäuser haben Verfahren und Software entwickelt, um unbemerkt Bilanzen fälschen zu können, und diese dann sogar diversen Firmen zum Kauf angeboten, so die Senatsergebnisse. Damit haben die Banker eine Schwelle überschritten: Sie haben mit Vorsatz kriminell gehandelt. Das zerstört das Vertrauen der Anleger – ob nun von Pensionsfonds mit Milliardenvermögen oder von Kleinanlegern. Derart rücksichtslos haben die großen Geldschieber seit den „goldenen Zwanzigern“ nicht mehr agiert.
Der Börsencrash wird endgültig das Vertrauen in den Aufschwung zerstören und die wohlhabenderen Konsumenten zur Zurückhaltung zwingen. Und das nicht nur in den börsenverliebten USA. Auch hierzulande sind einige Zutaten für kriminelle Finanzgeschäfte vorhanden: Bankvorstände, deren Gehalt mit dem Aktienkurs klettert. Und dubiose Firmen, deren Aktien auf Teufel komm raus an den Mann gebracht werden mussten. Hoffentlich findet sich in Deutschland endlich jemand, der diese Machenschaften wirkungsvoll untersucht. Wenn das Geld schon weg ist, will man doch wenigstens wissen, wer es sich unter den Nagel gerissen hat.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen