daumenkino: „Jeans“
Das junge Leben
Auf irgendeinem Sender sagt zurzeit Lilo Pulver immer: „Komischer Beruf – Schauspieler werden dafür bezahlt, jemand anderes zu sein.“ Währenddessen sieht man sie in einem verlassenen Kinosaal Müll einsammeln. Was immer der betreffende Fernsehsender damit bezweckt, der Satz über die Nichtidentität von Person und Rolle tröstet mich jedes Mal nur unzureichend darüber hinweg, dass Frau Pulver im gesetzten Alter noch etwas so Würdeloses spielen muss wie die Putzfrau in einem fürs Fernsehen simulierten Kinosaal.
Wenn also der Schauspieler das Gegenteil von Authentizität anstrebt, so wollen im Allgemeinen junge Filmemacher genau das: möglichst echt und unverfälscht sein. Denn Jugend, das ist ein flüchtiger Zustand und deshalb ein begehrter Rohstoff. Die junge Schauspielerin Nicolette Krebitz hat aber noch genug davon und einen Film gemacht, der besonders nah dran sein will am jungen Leben. „Jeans“ heißt er, und was so heißt, kann ja nur vom Jungsein handeln, oder? Überraschenderweise handelt er aber vor allem vom Jungssein.
Weil das wahre Leben, wie wir alle wissen, keinerlei Happyend kennt und deshalb in diverse Episoden zerfällt, ist „Jeans“ ein Episodenfilm: Oschi (Oskar Melzer) und Dogge (Marc Hosemann) fliegen aus ihrer Wohnung; Angie gewährt ihnen Unterschlupf. Oschi lernt verschiedene Mädels kennen, traut sich aber nicht so recht. Dogge ist in dieser Hinsicht dreister, bekommt dafür aber auch öfter mal was auf die Schnauze. Zwischendurch sitzen sie mit einem namhaften älteren Schriftsteller zusammen und führen Jungsgespräche darüber, ob Bayern München Meister wird oder wie es ankommt, „Schatz“ zu sagen. Das sind so Handlungsaspekte des Films, der sich natürlich nicht wirklich nacherzählen lässt, weil das ja schon narrative Verfälschung des Echten wäre.
In all den echten Dialogen findet sich manche Sprachperle: „Ich habe eine so tierische Frau kennen gelernt“, sagt Oschi. Oder, nachdem Dogge ihm Geld geliehen hat: „Kriegste wieder, wie immer, diesmal echt.“ Unterlegt von elektronischer Musik reihen sich die Filmbilder wie einst in der Calvin-Klein-Werbung aneinander. Die Jugend neigt zum Lasziven und drückt sich gerne vage aus: „Ich werde so lange hier bleiben, bis sich die blöden Dinge in meinem Leben von alleine regeln.“
Wer noch weiß, wer Lilo Pulver ist, wird sich in diesem Film furchtbar alt fühlen.
BARBARA SCHWEIZERHOF
„Jeans“. Regie: Nicolette Krebitz.Mit Nicolette Krebitz, Jana Pallaskeu. a., Deutschland 2001, 80 Min.
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